Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

soviel wie sein Gewissen, nämlich ganze Hufen Lan¬
des; und besser als sein dünner Kopf, dem Wahr¬
heiten und Gravamina eine schwere Speise waren;
die papinianische Magenmaschine wirkte noch im
Alter, als schon alles andre kindisch war. Er ritt,
kurz vor seinem Tode, Stundenlang einen -- Kam¬
merherrn, den er wohl leiden konnte: gleichwol schob
er den Teller und das Glas weg, wenn nicht der
alte Inhalt in beiden war. Hinter dem Intesti¬
nensarge -- dem Reliquienkästchen des Unterleibes
-- fuhren der Obristküchenmeister, einige Beiköche,
der Hofkellereiadjunkt und noch größere Glieder des
Hofetats -- z. B. der Medizinalrath Fenk. Die¬
ser und Falkenberg bemerkten einander nicht: der
letztere stieß heute auf lauter Seltenheiten, den
Doktor, den er in Italien, und den Fürsten,
den er noch auf der Erde suchte. Die gekrönten
insolventen Eingeweide, die ihn so das Geld
nicht zahlten, verwickelten ihn nun mit dem
Kronerben in ein Kreditorengefecht.

Der Leichenzug des fürstlichen Gedärms gieng
in der Abtei Hopf, wo das Erbbeggräbniß derer
fürstlichen Glieder war, die -- wenn dem Plato
ein Wort zu glauben ist -- wahres Vieh sind und

H

ſoviel wie ſein Gewiſſen, naͤmlich ganze Hufen Lan¬
des; und beſſer als ſein duͤnner Kopf, dem Wahr¬
heiten und Gravamina eine ſchwere Speiſe waren;
die papinianiſche Magenmaſchine wirkte noch im
Alter, als ſchon alles andre kindiſch war. Er ritt,
kurz vor ſeinem Tode, Stundenlang einen — Kam¬
merherrn, den er wohl leiden konnte: gleichwol ſchob
er den Teller und das Glas weg, wenn nicht der
alte Inhalt in beiden war. Hinter dem Inteſti¬
nenſarge — dem Reliquienkaͤſtchen des Unterleibes
— fuhren der Obriſtkuͤchenmeiſter, einige Beikoͤche,
der Hofkellereiadjunkt und noch groͤßere Glieder des
Hofetats — z. B. der Medizinalrath Fenk. Die¬
ſer und Falkenberg bemerkten einander nicht: der
letztere ſtieß heute auf lauter Seltenheiten, den
Doktor, den er in Italien, und den Fuͤrſten,
den er noch auf der Erde ſuchte. Die gekroͤnten
inſolventen Eingeweide, die ihn ſo das Geld
nicht zahlten, verwickelten ihn nun mit dem
Kronerben in ein Kreditorengefecht.

Der Leichenzug des fuͤrſtlichen Gedaͤrms gieng
in der Abtei Hopf, wo das Erbbeggraͤbniß derer
fuͤrſtlichen Glieder war, die — wenn dem Plato
ein Wort zu glauben iſt — wahres Vieh ſind und

H
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0149" n="113"/>
&#x017F;oviel wie &#x017F;ein Gewi&#x017F;&#x017F;en, na&#x0364;mlich ganze Hufen Lan¬<lb/>
des; und be&#x017F;&#x017F;er als &#x017F;ein du&#x0364;nner Kopf, dem Wahr¬<lb/>
heiten und Gravamina eine &#x017F;chwere Spei&#x017F;e waren;<lb/>
die papiniani&#x017F;che Magenma&#x017F;chine wirkte noch im<lb/>
Alter, als &#x017F;chon alles andre kindi&#x017F;ch war. Er ritt,<lb/>
kurz vor &#x017F;einem Tode, Stundenlang einen &#x2014; Kam¬<lb/>
merherrn, den er wohl leiden konnte: gleichwol &#x017F;chob<lb/>
er den Teller und das Glas weg, wenn nicht der<lb/>
alte Inhalt in beiden war. Hinter dem Inte&#x017F;ti¬<lb/>
nen&#x017F;arge &#x2014; dem Reliquienka&#x0364;&#x017F;tchen des Unterleibes<lb/>
&#x2014; fuhren der Obri&#x017F;tku&#x0364;chenmei&#x017F;ter, einige Beiko&#x0364;che,<lb/>
der Hofkellereiadjunkt und noch gro&#x0364;ßere Glieder des<lb/>
Hofetats &#x2014; z. B. der Medizinalrath <hi rendition="#g">Fenk</hi>. Die¬<lb/>
&#x017F;er und Falkenberg bemerkten einander nicht: der<lb/>
letztere &#x017F;tieß heute auf lauter Seltenheiten, den<lb/>
Doktor, den er in Italien, und den Fu&#x0364;r&#x017F;ten,<lb/>
den er noch auf der Erde &#x017F;uchte. Die gekro&#x0364;nten<lb/>
in&#x017F;olventen Eingeweide, die ihn &#x017F;o das Geld<lb/>
nicht zahlten, verwickelten ihn nun mit dem<lb/>
Kronerben in ein Kreditorengefecht.</p><lb/>
          <p>Der Leichenzug des fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Geda&#x0364;rms gieng<lb/>
in der Abtei <hi rendition="#g">Hopf</hi>, wo das Erbbeggra&#x0364;bniß derer<lb/>
fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Glieder war, die &#x2014; wenn dem Plato<lb/>
ein Wort zu glauben i&#x017F;t &#x2014; wahres Vieh &#x017F;ind und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0149] ſoviel wie ſein Gewiſſen, naͤmlich ganze Hufen Lan¬ des; und beſſer als ſein duͤnner Kopf, dem Wahr¬ heiten und Gravamina eine ſchwere Speiſe waren; die papinianiſche Magenmaſchine wirkte noch im Alter, als ſchon alles andre kindiſch war. Er ritt, kurz vor ſeinem Tode, Stundenlang einen — Kam¬ merherrn, den er wohl leiden konnte: gleichwol ſchob er den Teller und das Glas weg, wenn nicht der alte Inhalt in beiden war. Hinter dem Inteſti¬ nenſarge — dem Reliquienkaͤſtchen des Unterleibes — fuhren der Obriſtkuͤchenmeiſter, einige Beikoͤche, der Hofkellereiadjunkt und noch groͤßere Glieder des Hofetats — z. B. der Medizinalrath Fenk. Die¬ ſer und Falkenberg bemerkten einander nicht: der letztere ſtieß heute auf lauter Seltenheiten, den Doktor, den er in Italien, und den Fuͤrſten, den er noch auf der Erde ſuchte. Die gekroͤnten inſolventen Eingeweide, die ihn ſo das Geld nicht zahlten, verwickelten ihn nun mit dem Kronerben in ein Kreditorengefecht. Der Leichenzug des fuͤrſtlichen Gedaͤrms gieng in der Abtei Hopf, wo das Erbbeggraͤbniß derer fuͤrſtlichen Glieder war, die — wenn dem Plato ein Wort zu glauben iſt — wahres Vieh ſind und H

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/149
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/149>, abgerufen am 28.04.2024.