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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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haben, es fehlt ihm noch an Lebensart!" aber
Hofmeistern fehlts nicht daran -- die Infanten aus
dem Alumneum, die nichts hebt als eine Kanzel¬
treppe, die so lange die Seelenhirten des jungen
Edelmanns sind, bis sie die Seelenhirten der Ge¬
meinde werden, welche ihr Eleve regiert, diese
pädagogischen Poussierer sind im Stande nicht bloß
den Kopf des Junkers -- wie der Vater hoft --
sondern auch den Rumpf desselben -- wie die Mut¬
ter hoft -- recht gut zu formen und zu glätten
erstlich ohne eigne Glätte, zweitens in Lehrstun¬
den, drittens mit Worten, viertens ohne Wei¬
ber, fünftens auf eine sechste Art, dadurch,
daß der Hofmeister das weiteste Löwenherz zu ei¬
nem schläfrigen Dachsherzen einkrempt.

Der zweite metallische Sporn, der ihn nach
der Stadt forttrieb, war das Geld. Niemand
kam so leicht in den Fall, ein Gläubiger sowohl
als ein Schuldner zu werden als er: die halbe
Nachbarschaft hatt' er, weil er weder sich noch
andern etwas abschlug, zuletzt in seine Gäste und
seine Schuldner verwandelt; aber jezt verwan¬
delte er darüber sich beinahe selber in beides, wenn
nicht der Landesherr seinen zerrollenden Geldhau¬

fen

haben, es fehlt ihm noch an Lebensart!“ aber
Hofmeiſtern fehlts nicht daran — die Infanten aus
dem Alumneum, die nichts hebt als eine Kanzel¬
treppe, die ſo lange die Seelenhirten des jungen
Edelmanns ſind, bis ſie die Seelenhirten der Ge¬
meinde werden, welche ihr Eleve regiert, dieſe
paͤdagogiſchen Pouſſierer ſind im Stande nicht bloß
den Kopf des Junkers — wie der Vater hoft —
ſondern auch den Rumpf deſſelben — wie die Mut¬
ter hoft — recht gut zu formen und zu glaͤtten
erſtlich ohne eigne Glaͤtte, zweitens in Lehrſtun¬
den, drittens mit Worten, viertens ohne Wei¬
ber, fuͤnftens auf eine ſechste Art, dadurch,
daß der Hofmeiſter das weiteſte Loͤwenherz zu ei¬
nem ſchlaͤfrigen Dachsherzen einkrempt.

Der zweite metalliſche Sporn, der ihn nach
der Stadt forttrieb, war das Geld. Niemand
kam ſo leicht in den Fall, ein Glaͤubiger ſowohl
als ein Schuldner zu werden als er: die halbe
Nachbarſchaft hatt' er, weil er weder ſich noch
andern etwas abſchlug, zuletzt in ſeine Gaͤſte und
ſeine Schuldner verwandelt; aber jezt verwan¬
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[96/0132] haben, es fehlt ihm noch an Lebensart!“ aber Hofmeiſtern fehlts nicht daran — die Infanten aus dem Alumneum, die nichts hebt als eine Kanzel¬ treppe, die ſo lange die Seelenhirten des jungen Edelmanns ſind, bis ſie die Seelenhirten der Ge¬ meinde werden, welche ihr Eleve regiert, dieſe paͤdagogiſchen Pouſſierer ſind im Stande nicht bloß den Kopf des Junkers — wie der Vater hoft — ſondern auch den Rumpf deſſelben — wie die Mut¬ ter hoft — recht gut zu formen und zu glaͤtten erſtlich ohne eigne Glaͤtte, zweitens in Lehrſtun¬ den, drittens mit Worten, viertens ohne Wei¬ ber, fuͤnftens auf eine ſechste Art, dadurch, daß der Hofmeiſter das weiteſte Loͤwenherz zu ei¬ nem ſchlaͤfrigen Dachsherzen einkrempt. Der zweite metalliſche Sporn, der ihn nach der Stadt forttrieb, war das Geld. Niemand kam ſo leicht in den Fall, ein Glaͤubiger ſowohl als ein Schuldner zu werden als er: die halbe Nachbarſchaft hatt' er, weil er weder ſich noch andern etwas abſchlug, zuletzt in ſeine Gaͤſte und ſeine Schuldner verwandelt; aber jezt verwan¬ delte er daruͤber ſich beinahe ſelber in beides, wenn nicht der Landesherr ſeinen zerrollenden Geldhau¬ fen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/132>, abgerufen am 21.11.2024.