Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.ben in dieses schöne Gewächs geschlagen und ihm Es ist aber noch kein Jahr, daß ich Gustavs ben in dieſes ſchoͤne Gewaͤchs geſchlagen und ihm Es iſt aber noch kein Jahr, daß ich Guſtavs <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0108" n="72"/> ben in dieſes ſchoͤne Gewaͤchs geſchlagen und ihm<lb/> war noch kein Todesurtheil, das ſeinen Fall be¬<lb/> zeichnet, in ſeine Rinde eingeſchnitten. Alles<lb/> Schoͤne aber iſt ſanft; daher ſind die ſchoͤnſten<lb/> Voͤlker die ruhigſten, daher verzerret heftige Ar¬<lb/> beit arme Kinder und arme Voͤlker.</p><lb/> <p>Es iſt aber noch kein Jahr, daß ich Guſtavs<lb/> Schoͤnheit von hinten beweiſen kann. Denn da der<lb/> Auktionsproklamator damals mein intimſter Freund<lb/> war: ſo begieng er mir zu Gefallen den kleinen<lb/> Schelmenſtreich; daß er die Gemaͤlde und Kupfer¬<lb/> ſtiche gerade an einem Tage verſteigerte, wo der<lb/> Redute wegen kein Menſch von der großen Welt<lb/> aus Unterſcheerau in die Auktion kam als ich —<lb/> ich erſtand fuͤr Suͤndengeld tauſend Dinge. Die<lb/> ganze Stadt und Vorſtadt hatte zu dieſem Schut¬<lb/> haufen von Meublen zugetragen und war Verkaͤu¬<lb/> ferin und Kaͤuferin zugleich. In dieſer Auktion<lb/> erſchienen alle europaͤiſche Potentaten, aber elend<lb/> gezeichnet und kolorirt; und ein Edelmann von<lb/><hi rendition="#aq">bon ſens</hi> hielt ſeine beiden Eltern feil und wollte<lb/> ſie als gute Knieſtuͤcke verſtechen — in Rom ver¬<lb/> handelten umgekehrt die Eltern die Kinder, aber<lb/> in <hi rendition="#aq">natura</hi>. Der Edelmann hofte, ich wuͤrde auf<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0108]
ben in dieſes ſchoͤne Gewaͤchs geſchlagen und ihm
war noch kein Todesurtheil, das ſeinen Fall be¬
zeichnet, in ſeine Rinde eingeſchnitten. Alles
Schoͤne aber iſt ſanft; daher ſind die ſchoͤnſten
Voͤlker die ruhigſten, daher verzerret heftige Ar¬
beit arme Kinder und arme Voͤlker.
Es iſt aber noch kein Jahr, daß ich Guſtavs
Schoͤnheit von hinten beweiſen kann. Denn da der
Auktionsproklamator damals mein intimſter Freund
war: ſo begieng er mir zu Gefallen den kleinen
Schelmenſtreich; daß er die Gemaͤlde und Kupfer¬
ſtiche gerade an einem Tage verſteigerte, wo der
Redute wegen kein Menſch von der großen Welt
aus Unterſcheerau in die Auktion kam als ich —
ich erſtand fuͤr Suͤndengeld tauſend Dinge. Die
ganze Stadt und Vorſtadt hatte zu dieſem Schut¬
haufen von Meublen zugetragen und war Verkaͤu¬
ferin und Kaͤuferin zugleich. In dieſer Auktion
erſchienen alle europaͤiſche Potentaten, aber elend
gezeichnet und kolorirt; und ein Edelmann von
bon ſens hielt ſeine beiden Eltern feil und wollte
ſie als gute Knieſtuͤcke verſtechen — in Rom ver¬
handelten umgekehrt die Eltern die Kinder, aber
in natura. Der Edelmann hofte, ich wuͤrde auf
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/108>, abgerufen am 23.07.2024. |