Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.Sie riethen alle über die Verfasserin. Der Gustavs Schönheit kann man erstlich aus der Sie riethen alle uͤber die Verfaſſerin. Der Guſtavs Schoͤnheit kann man erſtlich aus der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0107" n="71"/> <p>Sie riethen alle uͤber die Verfaſſerin. Der<lb/> Rittmeiſter allein ſagte traurig nichts; ich weiß<lb/> nicht ob aus Kummer uͤber die Erinnerungen an<lb/> ſeinen erſten verlornen Sohn, oder weil er gar<lb/> wie ich uͤber die ganze Sache dachte. Ich vermu¬<lb/> the naͤmlich, der verlohrne Guido iſt eben ſein ei¬<lb/> gnes Kind; und die Briefſtellerin iſt die Geliebte,<lb/> die ihm der Kommerzien-Agent Roͤper aus den<lb/> Haͤnden gewunden hatte. Ich werde erſt nachher<lb/> ſagen warum.</p><lb/> <p>Guſtavs Schoͤnheit kann man erſtlich aus der<lb/> Vernunft oder von vornen darthun, zweitens von<lb/> hinten. Sein Treibhaus, das ihn auferzog und<lb/> zudeckte, bleichte ganz natuͤrlich ſeine Lilienhaut<lb/> zu einem weißen Grund, auf den zwei blaſſe Wan¬<lb/> genroſen oder nur ihr Wiederſchein und die dunk¬<lb/> lere feſte Roſenknoſpe der Oberlippe geblaſen wa¬<lb/> ren. Sein Auge war der ofne Himmel, den ihr<lb/> in tauſend fuͤnfjaͤhrigen und nur in zehn funfzig¬<lb/> zaͤhrigen Augen antrift: dieſes Auge wurde noch<lb/> dazu von langen Augenwimpern und von etwas<lb/> Schwaͤrmeriſchen verſchleiert oder verſchoͤnert. End¬<lb/> lich hatten weder Anſtrengung noch Leidenſchaften<lb/> ihren Waldhammer und die ſcharfen Lettern deſſel¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0107]
Sie riethen alle uͤber die Verfaſſerin. Der
Rittmeiſter allein ſagte traurig nichts; ich weiß
nicht ob aus Kummer uͤber die Erinnerungen an
ſeinen erſten verlornen Sohn, oder weil er gar
wie ich uͤber die ganze Sache dachte. Ich vermu¬
the naͤmlich, der verlohrne Guido iſt eben ſein ei¬
gnes Kind; und die Briefſtellerin iſt die Geliebte,
die ihm der Kommerzien-Agent Roͤper aus den
Haͤnden gewunden hatte. Ich werde erſt nachher
ſagen warum.
Guſtavs Schoͤnheit kann man erſtlich aus der
Vernunft oder von vornen darthun, zweitens von
hinten. Sein Treibhaus, das ihn auferzog und
zudeckte, bleichte ganz natuͤrlich ſeine Lilienhaut
zu einem weißen Grund, auf den zwei blaſſe Wan¬
genroſen oder nur ihr Wiederſchein und die dunk¬
lere feſte Roſenknoſpe der Oberlippe geblaſen wa¬
ren. Sein Auge war der ofne Himmel, den ihr
in tauſend fuͤnfjaͤhrigen und nur in zehn funfzig¬
zaͤhrigen Augen antrift: dieſes Auge wurde noch
dazu von langen Augenwimpern und von etwas
Schwaͤrmeriſchen verſchleiert oder verſchoͤnert. End¬
lich hatten weder Anſtrengung noch Leidenſchaften
ihren Waldhammer und die ſcharfen Lettern deſſel¬
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/107 |
Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/107>, abgerufen am 16.02.2025. |