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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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hern Stände nicht zehnmal gröber ausfallen
als sie thun und nicht so grob als die Virtuo-
sen der Zeichen-, der Ton-, der Schau- und
der Tanzkunst längst gethan; denn ohne jene,
die ja erst Lang-Leben und Wolleben verschaf-
fen, sind alle Springer und Geiger unbrauch-
bar, indem alle Philosophen darüber einig sind,
daß man um wol zu leben, zuvörderst leben
müsse. Doch sprech' ich jenen nicht alle Grob-
heit ab, sondern nur den Grad. Etwas an-
ders sind Dichter, Weltweise und Moralisten,
ja Prediger (in unsern Tagen), diese können
nie höfflich genug seyn, weil sie nie unentbehr-
lich genug sind.

Endlich setzte sich der Doktor mit dem
Glanze, den er als ein Lichtmagnet an sich
gezogen vom Fürsten-Sterne, kalt zu seinem
Gaste und seiner Tochter. Letzterer hätte bey-
nahe den Hunger verloren vor Anbetung des
Fürsten und vor Bewunderung Katzenbergers,
der so leicht mit jenem diskuriert hatte. Un-
ter dem Essen lenkte der Doktor die Rede aufs
Essen und merkte an, er wundre sich über

hern Staͤnde nicht zehnmal gröber ausfallen
als ſie thun und nicht ſo grob als die Virtuo-
ſen der Zeichen-, der Ton-, der Schau- und
der Tanzkunſt längſt gethan; denn ohne jene,
die ja erſt Lang-Leben und Wolleben verſchaf-
fen, ſind alle Springer und Geiger unbrauch-
bar, indem alle Philoſophen daruͤber einig ſind,
daß man um wol zu leben, zuvoͤrderſt leben
muͤſſe. Doch ſprech’ ich jenen nicht alle Grob-
heit ab, ſondern nur den Grad. Etwas an-
ders ſind Dichter, Weltweiſe und Moraliſten,
ja Prediger (in unſern Tagen), dieſe koͤnnen
nie hoͤfflich genug ſeyn, weil ſie nie unentbehr-
lich genug ſind.

Endlich ſetzte ſich der Doktor mit dem
Glanze, den er als ein Lichtmagnet an ſich
gezogen vom Fuͤrſten-Sterne, kalt zu ſeinem
Gaſte und ſeiner Tochter. Letzterer haͤtte bey-
nahe den Hunger verloren vor Anbetung des
Fuͤrſten und vor Bewunderung Katzenbergers,
der ſo leicht mit jenem diskuriert hatte. Un-
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Eſſen und merkte an, er wundre ſich uͤber

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[69/0075] hern Staͤnde nicht zehnmal gröber ausfallen als ſie thun und nicht ſo grob als die Virtuo- ſen der Zeichen-, der Ton-, der Schau- und der Tanzkunſt längſt gethan; denn ohne jene, die ja erſt Lang-Leben und Wolleben verſchaf- fen, ſind alle Springer und Geiger unbrauch- bar, indem alle Philoſophen daruͤber einig ſind, daß man um wol zu leben, zuvoͤrderſt leben muͤſſe. Doch ſprech’ ich jenen nicht alle Grob- heit ab, ſondern nur den Grad. Etwas an- ders ſind Dichter, Weltweiſe und Moraliſten, ja Prediger (in unſern Tagen), dieſe koͤnnen nie hoͤfflich genug ſeyn, weil ſie nie unentbehr- lich genug ſind. Endlich ſetzte ſich der Doktor mit dem Glanze, den er als ein Lichtmagnet an ſich gezogen vom Fuͤrſten-Sterne, kalt zu ſeinem Gaſte und ſeiner Tochter. Letzterer haͤtte bey- nahe den Hunger verloren vor Anbetung des Fuͤrſten und vor Bewunderung Katzenbergers, der ſo leicht mit jenem diskuriert hatte. Un- ter dem Eſſen lenkte der Doktor die Rede aufs Eſſen und merkte an, er wundre ſich uͤber

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/75>, abgerufen am 27.04.2024.