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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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wer ihm hier seine Rolle nachspiele. Kurz in
der Minute, da Nieß sich als den Theudobach
demaskirte, steht der zweyte bessere da, der ihn
in die alte Nießische Chauve-souris-Maske
zurücksteckt. Und wahrlich, wer nur beyde ne-
ben einander stehen sah, den Hauptmann Theu-
dobach in einer Gestalt, seines riesenmäßigen
Uhrahns nicht unwürdig, und das feine Schach-
figürchen Nieß an ihm hinauf sturmlaufend,
der mußte es machen wie ich, und an alle Deine
vernünftige Rathschläge nicht denken. Ich ging
nämlich öffentlich zum Hauptmann, und erklärte
ihn für den Dichter. Mir glüht hier schmerz-
lich das Gesicht, und ich denke an meines Va-
ters Wort: "Durch Eiligkeit entstehe oft Feuer,
und durch Langsamkeit werd' es stärker; weil die
Leute die Sachen gerade umkehrten." Indeß
war jeder meiner Meynung -- auch noch unter
dem Abendessen -- gleichwohl bin ich jetzt das
Maulbronner Sünden-Böckchen und werde von
den andern Sünden-Zicklein meines Geschlechts
heimlich angemeckert. Denn Nieß schickte mir
unter dem Essen meinen Brief an ihn und seinen

wer ihm hier ſeine Rolle nachſpiele. Kurz in
der Minute, da Nieß ſich als den Theudobach
demaſkirte, ſteht der zweyte beſſere da, der ihn
in die alte Nießiſche Chauve-souris-Maſke
zuruͤckſteckt. Und wahrlich, wer nur beyde ne-
ben einander ſtehen ſah, den Hauptmann Theu-
dobach in einer Geſtalt, ſeines rieſenmaͤßigen
Uhrahns nicht unwuͤrdig, und das feine Schach-
figuͤrchen Nieß an ihm hinauf ſturmlaufend,
der mußte es machen wie ich, und an alle Deine
vernuͤnftige Rathſchläge nicht denken. Ich ging
naͤmlich oͤffentlich zum Hauptmann, und erklaͤrte
ihn fuͤr den Dichter. Mir gluͤht hier ſchmerz-
lich das Geſicht, und ich denke an meines Va-
ters Wort: „Durch Eiligkeit entſtehe oft Feuer,
und durch Langſamkeit werd’ es ſtaͤrker; weil die
Leute die Sachen gerade umkehrten.” Indeß
war jeder meiner Meynung — auch noch unter
dem Abendeſſen — gleichwohl bin ich jetzt das
Maulbronner Suͤnden-Boͤckchen und werde von
den andern Suͤnden-Zicklein meines Geſchlechts
heimlich angemeckert. Denn Nieß ſchickte mir
unter dem Eſſen meinen Brief an ihn und ſeinen

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[45/0051] wer ihm hier ſeine Rolle nachſpiele. Kurz in der Minute, da Nieß ſich als den Theudobach demaſkirte, ſteht der zweyte beſſere da, der ihn in die alte Nießiſche Chauve-souris-Maſke zuruͤckſteckt. Und wahrlich, wer nur beyde ne- ben einander ſtehen ſah, den Hauptmann Theu- dobach in einer Geſtalt, ſeines rieſenmaͤßigen Uhrahns nicht unwuͤrdig, und das feine Schach- figuͤrchen Nieß an ihm hinauf ſturmlaufend, der mußte es machen wie ich, und an alle Deine vernuͤnftige Rathſchläge nicht denken. Ich ging naͤmlich oͤffentlich zum Hauptmann, und erklaͤrte ihn fuͤr den Dichter. Mir gluͤht hier ſchmerz- lich das Geſicht, und ich denke an meines Va- ters Wort: „Durch Eiligkeit entſtehe oft Feuer, und durch Langſamkeit werd’ es ſtaͤrker; weil die Leute die Sachen gerade umkehrten.” Indeß war jeder meiner Meynung — auch noch unter dem Abendeſſen — gleichwohl bin ich jetzt das Maulbronner Suͤnden-Boͤckchen und werde von den andern Suͤnden-Zicklein meines Geſchlechts heimlich angemeckert. Denn Nieß ſchickte mir unter dem Eſſen meinen Brief an ihn und ſeinen

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/51>, abgerufen am 28.04.2024.