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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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ihm stand ein fester schwarzer Rauch, das aus-
gebreitete Bahrtuch, das zwischen den Welten-
Himmel, und zwischen diese düstere frostige
Lücke der Natur gezogen war; und der Schutt-
haufen der Vergangenheit dampfte aus der
Tiefe auf, und machte das Leichentuch schwär-
zer und breiter. -- -- Jetzt lief der Wider-
schein einer hinabfallenden entzündeten Welt,
mit einem rothen Schatten über die finstere
Decke, und eine ewige Windsbraut verwehte
sinkende Klagstimmen herein.

"Wir haben gelitten, wir haben gehofft;
aber wir werden gewürgt. -- Ach Allmächti-
ger, schaffe nichts mehr!"

Ottomar fragte: wer vernichtet sie dann?--
Ich! sagte die Gestalt, und trieb ihn unter
die eingefrornen Leichenheere, unter die Lar-
venwelt der vernichteten Menschen. Wenn die
Gestalt vor einer entseelten Maske vorüber-
ging, so spritzte aus dem zugefallenen Auge
ein blutiger Tropfe, wie ein Leichnam blutet,
wenn ihm der Mörder nahe tritt. Er wurde
unaufhaltsam durch das stumme Trauergefolge

ihm ſtand ein feſter ſchwarzer Rauch, das aus-
gebreitete Bahrtuch, das zwiſchen den Welten-
Himmel, und zwiſchen dieſe duͤſtere froſtige
Luͤcke der Natur gezogen war; und der Schutt-
haufen der Vergangenheit dampfte aus der
Tiefe auf, und machte das Leichentuch ſchwaͤr-
zer und breiter. — — Jetzt lief der Wider-
ſchein einer hinabfallenden entzuͤndeten Welt,
mit einem rothen Schatten uͤber die finſtere
Decke, und eine ewige Windsbraut verwehte
ſinkende Klagſtimmen herein.

„Wir haben gelitten, wir haben gehofft;
aber wir werden gewuͤrgt. — Ach Allmaͤchti-
ger, ſchaffe nichts mehr!“

Ottomar fragte: wer vernichtet ſie dann?—
Ich! ſagte die Geſtalt, und trieb ihn unter
die eingefrornen Leichenheere, unter die Lar-
venwelt der vernichteten Menſchen. Wenn die
Geſtalt vor einer entſeelten Maske voruͤber-
ging, ſo ſpritzte aus dem zugefallenen Auge
ein blutiger Tropfe, wie ein Leichnam blutet,
wenn ihm der Mörder nahe tritt. Er wurde
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[269/0275] ihm ſtand ein feſter ſchwarzer Rauch, das aus- gebreitete Bahrtuch, das zwiſchen den Welten- Himmel, und zwiſchen dieſe duͤſtere froſtige Luͤcke der Natur gezogen war; und der Schutt- haufen der Vergangenheit dampfte aus der Tiefe auf, und machte das Leichentuch ſchwaͤr- zer und breiter. — — Jetzt lief der Wider- ſchein einer hinabfallenden entzuͤndeten Welt, mit einem rothen Schatten uͤber die finſtere Decke, und eine ewige Windsbraut verwehte ſinkende Klagſtimmen herein. „Wir haben gelitten, wir haben gehofft; aber wir werden gewuͤrgt. — Ach Allmaͤchti- ger, ſchaffe nichts mehr!“ Ottomar fragte: wer vernichtet ſie dann?— Ich! ſagte die Geſtalt, und trieb ihn unter die eingefrornen Leichenheere, unter die Lar- venwelt der vernichteten Menſchen. Wenn die Geſtalt vor einer entſeelten Maske voruͤber- ging, ſo ſpritzte aus dem zugefallenen Auge ein blutiger Tropfe, wie ein Leichnam blutet, wenn ihm der Mörder nahe tritt. Er wurde unaufhaltſam durch das ſtumme Trauergefolge

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/275>, abgerufen am 04.05.2024.