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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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deckt, und die Gestalt zerquetschte alle durch
Darüberschweben, und sie zog ihren langen
grauen, auf dem weiten Blute schwimmenden
Schleyer nach, der aus der nassen Leinwand
gemacht war, die über den Augen der Todten
gelegen. -- -- Und die rothen Wogen stiegen
um den bangen Menschen auf, und der ein-
kriechende Weg ging nur noch über kalte,
glatte Erdschwämme, und endlich blos über
eine lange kalte glatte Natter ....

Er glitt herab, aber ein Wirbelwind
wandte ihn herum, vor ihm breitete sich un-
absehlich eine schwarze Eisscholle aus, auf der
alle Völker lagen, die auf der Erde gestorben
waren, starre eingefrorne Leichenheere -- und
tief unten im Abgrund läutete ein Erdbeben
seit der Ewigkeit ein kleines geborstenes Glöck-
chen; es war die Todtenglocke der Natur. -- --
"Ist das die zweyte Welt?" fragte der trost-
lose Mensch. Die Gestalt antwortete: "die
zweyte Welt ist im Grabe zwischen den Zäh-
nen des Wurms." -- -- Er blickte auf, um
einen tröstenden Himmel zu suchen, aber über

deckt, und die Geſtalt zerquetſchte alle durch
Daruͤberſchweben, und ſie zog ihren langen
grauen, auf dem weiten Blute ſchwimmenden
Schleyer nach, der aus der naſſen Leinwand
gemacht war, die uͤber den Augen der Todten
gelegen. — — Und die rothen Wogen ſtiegen
um den bangen Menſchen auf, und der ein-
kriechende Weg ging nur noch uͤber kalte,
glatte Erdſchwaͤmme, und endlich blos uͤber
eine lange kalte glatte Natter ....

Er glitt herab, aber ein Wirbelwind
wandte ihn herum, vor ihm breitete ſich un-
abſehlich eine ſchwarze Eisſcholle aus, auf der
alle Voͤlker lagen, die auf der Erde geſtorben
waren, ſtarre eingefrorne Leichenheere — und
tief unten im Abgrund laͤutete ein Erdbeben
ſeit der Ewigkeit ein kleines geborſtenes Glöck-
chen; es war die Todtenglocke der Natur. — —
„Iſt das die zweyte Welt?“ fragte der troſt-
loſe Menſch. Die Geſtalt antwortete: „die
zweyte Welt iſt im Grabe zwiſchen den Zaͤh-
nen des Wurms.“ — — Er blickte auf, um
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[268/0274] deckt, und die Geſtalt zerquetſchte alle durch Daruͤberſchweben, und ſie zog ihren langen grauen, auf dem weiten Blute ſchwimmenden Schleyer nach, der aus der naſſen Leinwand gemacht war, die uͤber den Augen der Todten gelegen. — — Und die rothen Wogen ſtiegen um den bangen Menſchen auf, und der ein- kriechende Weg ging nur noch uͤber kalte, glatte Erdſchwaͤmme, und endlich blos uͤber eine lange kalte glatte Natter .... Er glitt herab, aber ein Wirbelwind wandte ihn herum, vor ihm breitete ſich un- abſehlich eine ſchwarze Eisſcholle aus, auf der alle Voͤlker lagen, die auf der Erde geſtorben waren, ſtarre eingefrorne Leichenheere — und tief unten im Abgrund laͤutete ein Erdbeben ſeit der Ewigkeit ein kleines geborſtenes Glöck- chen; es war die Todtenglocke der Natur. — — „Iſt das die zweyte Welt?“ fragte der troſt- loſe Menſch. Die Geſtalt antwortete: „die zweyte Welt iſt im Grabe zwiſchen den Zaͤh- nen des Wurms.“ — — Er blickte auf, um einen troͤſtenden Himmel zu ſuchen, aber uͤber

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/274>, abgerufen am 25.11.2024.