zunehmen, für sie eine kleine Schuld im Ge- fängniß zu bezahlen.
Abends bestieg sie ihren Leichenwagen, auf dem sie den schleichenden Weg zum Sterbebette zwey lange Stunden machte, angezischt und angeheult vom Volk, für das sie sterben wollte. Sie war bitter-allein, ohne irgend einen Ver- wandten ihres Herzens oder ihres Schicksals. Blos unbewußt begegnete sie in der Straße St. Honore dem, der das eine war, und das andere wurde, dem Adam Lux aus Mainz. O warum mußte ihr Blick, der die anhöh- nende Menge vergeblich nach einem gleichflam- menden Herzen durchsuchte, diesen Bruder ihres Innern nicht finden und kennen, warum blieb ihr die letzte Entzückung der Erde ver- weigert, die Ueberzeugung oder der Anblick, daß der Glaubensgenoße und Vertheidiger ih- res Herzens, und der künftige Märtyrer ihrer That sie jetzt begleite an ihr Grab, dann in dasselbe, und daß eine edle Seele der ihrigen
Zweyter Theil. 17
zunehmen, fuͤr ſie eine kleine Schuld im Ge- faͤngniß zu bezahlen.
Abends beſtieg ſie ihren Leichenwagen, auf dem ſie den ſchleichenden Weg zum Sterbebette zwey lange Stunden machte, angeziſcht und angeheult vom Volk, fuͤr das ſie ſterben wollte. Sie war bitter-allein, ohne irgend einen Ver- wandten ihres Herzens oder ihres Schickſals. Blos unbewußt begegnete ſie in der Straße St. Honoré dem, der das eine war, und das andere wurde, dem Adam Lux aus Mainz. O warum mußte ihr Blick, der die anhoͤh- nende Menge vergeblich nach einem gleichflam- menden Herzen durchſuchte, dieſen Bruder ihres Innern nicht finden und kennen, warum blieb ihr die letzte Entzuͤckung der Erde ver- weigert, die Ueberzeugung oder der Anblick, daß der Glaubensgenoße und Vertheidiger ih- res Herzens, und der kuͤnftige Maͤrtyrer ihrer That ſie jetzt begleite an ihr Grab, dann in daſſelbe, und daß eine edle Seele der ihrigen
Zweyter Theil. 17
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zunehmen, fuͤr ſie eine kleine Schuld im Ge-
faͤngniß zu bezahlen.
Abends beſtieg ſie ihren Leichenwagen, auf
dem ſie den ſchleichenden Weg zum Sterbebette
zwey lange Stunden machte, angeziſcht und
angeheult vom Volk, fuͤr das ſie ſterben wollte.
Sie war bitter-allein, ohne irgend einen Ver-
wandten ihres Herzens oder ihres Schickſals.
Blos unbewußt begegnete ſie in der Straße
St. Honoré dem, der das eine war, und das
andere wurde, dem Adam Lux aus Mainz.
O warum mußte ihr Blick, der die anhoͤh-
nende Menge vergeblich nach einem gleichflam-
menden Herzen durchſuchte, dieſen Bruder
ihres Innern nicht finden und kennen, warum
blieb ihr die letzte Entzuͤckung der Erde ver-
weigert, die Ueberzeugung oder der Anblick,
daß der Glaubensgenoße und Vertheidiger ih-
res Herzens, und der kuͤnftige Maͤrtyrer ihrer
That ſie jetzt begleite an ihr Grab, dann in
daſſelbe, und daß eine edle Seele der ihrigen
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/263>, abgerufen am 25.11.2024.
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