Kinder, auf irdische Zukunft und auf alles, was um mich her die Menschen beglückt; Gebt mir die Todesfackel, statt der Brautfackel; und die Todesgöttin drücke als Blumengöttin das feste schwarze Siegel auf mein Rosenleben! -- Es ist bekannt, daß die Heldin darauf einen ganzen Monat lang' ihren großen Vorsatz schweigend in der Brust bewahrte. Aber wie leicht und klein mußten ihr in dieser Zeit die Spiele und Plagen des Lebens erscheinen, wie frey ihr Herz, wie rein jede Tugend, wie klar jede Ansicht! Sie stand jetzt auf dem höch- sten Gebirge und sah die Wetterwolken nur aus der Tiefe, nicht aus der Höhe kommen, und sich von ihnen kaum verhüllt und benetzt, indeß die Andern, die tiefen Menschen auf dem Boden, ängstlich nach dem Gewölke auf- blickten und auf seinen Schlag harrten. -- Der edle Krieger, der handelnde Republikaner, der gottbegeisterte Mensch, sie haben diese hohe Stellung, die sie so sehr für alles häusliche Einnisten in bequeme warme Freuden entschä- digt und erkältet."
Kinder, auf irdiſche Zukunft und auf alles, was um mich her die Menſchen begluͤckt; Gebt mir die Todesfackel, ſtatt der Brautfackel; und die Todesgoͤttin druͤcke als Blumengoͤttin das feſte ſchwarze Siegel auf mein Roſenleben! — Es iſt bekannt, daß die Heldin darauf einen ganzen Monat lang’ ihren großen Vorſatz ſchweigend in der Bruſt bewahrte. Aber wie leicht und klein mußten ihr in dieſer Zeit die Spiele und Plagen des Lebens erſcheinen, wie frey ihr Herz, wie rein jede Tugend, wie klar jede Anſicht! Sie ſtand jetzt auf dem höch- ſten Gebirge und ſah die Wetterwolken nur aus der Tiefe, nicht aus der Hoͤhe kommen, und ſich von ihnen kaum verhuͤllt und benetzt, indeß die Andern, die tiefen Menſchen auf dem Boden, aͤngſtlich nach dem Gewoͤlke auf- blickten und auf ſeinen Schlag harrten. — Der edle Krieger, der handelnde Republikaner, der gottbegeiſterte Menſch, ſie haben dieſe hohe Stellung, die ſie ſo ſehr fuͤr alles haͤusliche Einniſten in bequeme warme Freuden entſchaͤ- digt und erkaͤltet.“
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Kinder, auf irdiſche Zukunft und auf alles,
was um mich her die Menſchen begluͤckt; Gebt
mir die Todesfackel, ſtatt der Brautfackel; und
die Todesgoͤttin druͤcke als Blumengoͤttin das
feſte ſchwarze Siegel auf mein Roſenleben! —
Es iſt bekannt, daß die Heldin darauf einen
ganzen Monat lang’ ihren großen Vorſatz
ſchweigend in der Bruſt bewahrte. Aber wie
leicht und klein mußten ihr in dieſer Zeit die
Spiele und Plagen des Lebens erſcheinen,
wie frey ihr Herz, wie rein jede Tugend, wie
klar jede Anſicht! Sie ſtand jetzt auf dem höch-
ſten Gebirge und ſah die Wetterwolken nur
aus der Tiefe, nicht aus der Hoͤhe kommen,
und ſich von ihnen kaum verhuͤllt und benetzt,
indeß die Andern, die tiefen Menſchen auf
dem Boden, aͤngſtlich nach dem Gewoͤlke auf-
blickten und auf ſeinen Schlag harrten. —
Der edle Krieger, der handelnde Republikaner,
der gottbegeiſterte Menſch, ſie haben dieſe hohe
Stellung, die ſie ſo ſehr fuͤr alles haͤusliche
Einniſten in bequeme warme Freuden entſchaͤ-
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/246>, abgerufen am 22.11.2024.
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