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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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men, und laufen und deklamieren, und sich be-
gleiten lassen von Musik, um wie ein Gewitter,
gerade den stärksten und entzündensten Schlag
beym Abzuge zu thun.

Indeß hören mitten in diesem Gerassel von
poetischen Streit- und Siegswagen Vorleser
eigner Sachen gleichwohl manches leise Wort,
das darüber ausfliegt. Nieß vernahm mitten im
Dichter-Sturm sehr gut Theoda's Wort: ja er
ists, und hat sich selber kopirt im Ritter." --
"Und thut doch immer, sagte die Nachbarin, als
ginge ihm das ganze Gedicht nichts an." Es
war Nießen auf keine Weise möglich bey solchen
Aussprüchen, daß er da sey, und sich im alten
Ritter selber getroffen habe, und bey dem allge-
meinen Klatschen und Anblicken und Anfragen
der Bewunderung, sich etwa in den Kopf zu set-
zen, er sey gar nicht gemeynt, nur der neue
Soldat. Sondern eine wärmere Minute und
höhere Stelle um sich zu enthüllen und zu ent-
wölken, dieß sah er wol ein -- könnte kein Stern-
seher für ihn errechnen, als der Kulminazions-
und Scheitelpunkt war, den er jetzt vor sich hatte,

men, und laufen und deklamieren, und ſich be-
gleiten laſſen von Muſik, um wie ein Gewitter,
gerade den ſtaͤrkſten und entzuͤndenſten Schlag
beym Abzuge zu thun.

Indeß hoͤren mitten in dieſem Geraſſel von
poetiſchen Streit- und Siegswagen Vorleſer
eigner Sachen gleichwohl manches leiſe Wort,
das daruͤber ausfliegt. Nieß vernahm mitten im
Dichter-Sturm ſehr gut Theoda’s Wort: ja er
iſts, und hat ſich ſelber kopirt im Ritter.” —
„Und thut doch immer, ſagte die Nachbarin, als
ginge ihm das ganze Gedicht nichts an.” Es
war Nießen auf keine Weiſe moͤglich bey ſolchen
Ausſpruͤchen, daß er da ſey, und ſich im alten
Ritter ſelber getroffen habe, und bey dem allge-
meinen Klatſchen und Anblicken und Anfragen
der Bewunderung, ſich etwa in den Kopf zu ſet-
zen, er ſey gar nicht gemeynt, nur der neue
Soldat. Sondern eine wärmere Minute und
hoͤhere Stelle um ſich zu enthuͤllen und zu ent-
woͤlken, dieß ſah er wol ein — koͤnnte kein Stern-
ſeher fuͤr ihn errechnen, als der Kulminazions-
und Scheitelpunkt war, den er jetzt vor ſich hatte,

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[163/0181] men, und laufen und deklamieren, und ſich be- gleiten laſſen von Muſik, um wie ein Gewitter, gerade den ſtaͤrkſten und entzuͤndenſten Schlag beym Abzuge zu thun. Indeß hoͤren mitten in dieſem Geraſſel von poetiſchen Streit- und Siegswagen Vorleſer eigner Sachen gleichwohl manches leiſe Wort, das daruͤber ausfliegt. Nieß vernahm mitten im Dichter-Sturm ſehr gut Theoda’s Wort: ja er iſts, und hat ſich ſelber kopirt im Ritter.” — „Und thut doch immer, ſagte die Nachbarin, als ginge ihm das ganze Gedicht nichts an.” Es war Nießen auf keine Weiſe moͤglich bey ſolchen Ausſpruͤchen, daß er da ſey, und ſich im alten Ritter ſelber getroffen habe, und bey dem allge- meinen Klatſchen und Anblicken und Anfragen der Bewunderung, ſich etwa in den Kopf zu ſet- zen, er ſey gar nicht gemeynt, nur der neue Soldat. Sondern eine wärmere Minute und hoͤhere Stelle um ſich zu enthuͤllen und zu ent- woͤlken, dieß ſah er wol ein — koͤnnte kein Stern- ſeher fuͤr ihn errechnen, als der Kulminazions- und Scheitelpunkt war, den er jetzt vor ſich hatte,

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/181>, abgerufen am 23.11.2024.