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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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mauer um allda -- weil das Knochenwerk als
Floßrechen und gestachelter Herisson die Pforte
versperrte -- ins Freie zu sehen und zu springen.
Umsonst rief die über seinen Schrecken erschrokne
Theoda bange nach, was ihn jage, ihr Vater
sammle nur Skelette. Nun trat der Doktor sel-
ber aus seinen Schießscharten heraus, ein wohl-
erhaltenes Kindergerippe wie eine Bienenkappe
auf den Kopf gestülpt, und begab sich unter den
Birnbaum, und sagte hinauf: "am Ende sind
Sie es, die selber droben sitzen, und wollen den
Gottesacker und die Landschaft besser übersehen?"
Aber Nieß längst verständigt -- war während
des Perorierens des Doktors schon um die Mauer
herum, und durch das Pförtchen zurückgerannt
und erfaßte jetzt, mit zwey aufgerafften Arm-
knochen in Händen, hinten den Doktor an den
Achselknochen, worüber er die bleichen ragen ließ,
mit den Worten: "ich bin der Tod, Spötter!"
Katzenberger drehte sich selber ruhig um; da
lachte der Poet ungemein, mit den Worten:
"nun so haben wir beyde unsern lustigen Zweck
einer kleinen Schreckens-Zeit verfehlt; nur aber

mauer um allda — weil das Knochenwerk als
Floßrechen und geſtachelter Heriſſon die Pforte
verſperrte — ins Freie zu ſehen und zu ſpringen.
Umſonſt rief die uͤber ſeinen Schrecken erſchrokne
Theoda bange nach, was ihn jage, ihr Vater
ſammle nur Skelette. Nun trat der Doktor ſel-
ber aus ſeinen Schießſcharten heraus, ein wohl-
erhaltenes Kindergerippe wie eine Bienenkappe
auf den Kopf geſtuͤlpt, und begab ſich unter den
Birnbaum, und ſagte hinauf: „am Ende ſind
Sie es, die ſelber droben ſitzen, und wollen den
Gottesacker und die Landſchaft beſſer uͤberſehen?“
Aber Nieß laͤngſt verſtaͤndigt — war während
des Perorierens des Doktors ſchon um die Mauer
herum, und durch das Pfoͤrtchen zuruͤckgerannt
und erfaßte jetzt, mit zwey aufgerafften Arm-
knochen in Haͤnden, hinten den Doktor an den
Achſelknochen, woruͤber er die bleichen ragen ließ,
mit den Worten: „ich bin der Tod, Spoͤtter!“
Katzenberger drehte ſich ſelber ruhig um; da
lachte der Poet ungemein, mit den Worten:
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einer kleinen Schreckens-Zeit verfehlt; nur aber

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[114/0132] mauer um allda — weil das Knochenwerk als Floßrechen und geſtachelter Heriſſon die Pforte verſperrte — ins Freie zu ſehen und zu ſpringen. Umſonſt rief die uͤber ſeinen Schrecken erſchrokne Theoda bange nach, was ihn jage, ihr Vater ſammle nur Skelette. Nun trat der Doktor ſel- ber aus ſeinen Schießſcharten heraus, ein wohl- erhaltenes Kindergerippe wie eine Bienenkappe auf den Kopf geſtuͤlpt, und begab ſich unter den Birnbaum, und ſagte hinauf: „am Ende ſind Sie es, die ſelber droben ſitzen, und wollen den Gottesacker und die Landſchaft beſſer uͤberſehen?“ Aber Nieß laͤngſt verſtaͤndigt — war während des Perorierens des Doktors ſchon um die Mauer herum, und durch das Pfoͤrtchen zuruͤckgerannt und erfaßte jetzt, mit zwey aufgerafften Arm- knochen in Haͤnden, hinten den Doktor an den Achſelknochen, woruͤber er die bleichen ragen ließ, mit den Worten: „ich bin der Tod, Spoͤtter!“ Katzenberger drehte ſich ſelber ruhig um; da lachte der Poet ungemein, mit den Worten: „nun ſo haben wir beyde unſern luſtigen Zweck einer kleinen Schreckens-Zeit verfehlt; nur aber

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/132>, abgerufen am 23.11.2024.