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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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Einfall. Denn am Hute schlugen Blumen aus und
der war der Glückstopf, aus dem er eine frohe
Stunde zog, nämlich den Vorsatz, auf Pfingsten zu
verreisen, aber nach -- Maienthal. Er hielt sich
ernstlich vor, daß ihm und Klotilden die zu weit
getriebene Schonung eines eifersüchtigen Bruders,
dessen irre Hoffnungen ja keine Schwester zu stärken
verpflichtet sey, noch dazu durch die menschenfeindliche
Inspirazion Matthieus erschweret und vereitelt werde --
daß also ihr Absondern so wenig erleichtere als ihr
Besuchen verschlage -- daß es indessen schön sey,
den Bruder zu schonen und blos in seine Abwesen¬
heit einen verdächtigen Ausflug zu verlegen, bis ihn
einmal die heruntergezogne Binde in der Unge¬
treuen die Schwester entdecke und im Nebenbuhler
den schonenden Freund -- und daß es immer besser
sey, sie in Maienthal als bei ihrer Zurückkunft in
seiner Nähe zu sprechen -- und daß der über seine
Abstammung belehrte Bruder ihm einmal doch blos
vorrücken könne, er habe ihm keine Täuschungen ge¬
nommen als unangenehme. -- O die Liebe und die
Tugend haben ein nacktes Gewissen und entschuldi¬
gen ihre himmlischen Freuden länger und mehr als
andere ihre höllischen!

Als Viktor noch dazu daran dachte, daß den
Tagen der Liebe sobald das Laub und die Blüthen
abfallen und daß Emanuel und selber Klotilde zwei

Einfall. Denn am Hute ſchlugen Blumen aus und
der war der Gluͤckstopf, aus dem er eine frohe
Stunde zog, naͤmlich den Vorſatz, auf Pfingſten zu
verreiſen, aber nach — Maienthal. Er hielt ſich
ernſtlich vor, daß ihm und Klotilden die zu weit
getriebene Schonung eines eiferſuͤchtigen Bruders,
deſſen irre Hoffnungen ja keine Schweſter zu ſtaͤrken
verpflichtet ſey, noch dazu durch die menſchenfeindliche
Inſpirazion Matthieus erſchweret und vereitelt werde —
daß alſo ihr Abſondern ſo wenig erleichtere als ihr
Beſuchen verſchlage — daß es indeſſen ſchoͤn ſey,
den Bruder zu ſchonen und blos in ſeine Abweſen¬
heit einen verdaͤchtigen Ausflug zu verlegen, bis ihn
einmal die heruntergezogne Binde in der Unge¬
treuen die Schweſter entdecke und im Nebenbuhler
den ſchonenden Freund — und daß es immer beſſer
ſey, ſie in Maienthal als bei ihrer Zuruͤckkunft in
ſeiner Naͤhe zu ſprechen — und daß der uͤber ſeine
Abſtammung belehrte Bruder ihm einmal doch blos
vorruͤcken koͤnne, er habe ihm keine Taͤuſchungen ge¬
nommen als unangenehme. — O die Liebe und die
Tugend haben ein nacktes Gewiſſen und entſchuldi¬
gen ihre himmliſchen Freuden laͤnger und mehr als
andere ihre hoͤlliſchen!

Als Viktor noch dazu daran dachte, daß den
Tagen der Liebe ſobald das Laub und die Bluͤthen
abfallen und daß Emanuel und ſelber Klotilde zwei

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[59/0069] Einfall. Denn am Hute ſchlugen Blumen aus und der war der Gluͤckstopf, aus dem er eine frohe Stunde zog, naͤmlich den Vorſatz, auf Pfingſten zu verreiſen, aber nach — Maienthal. Er hielt ſich ernſtlich vor, daß ihm und Klotilden die zu weit getriebene Schonung eines eiferſuͤchtigen Bruders, deſſen irre Hoffnungen ja keine Schweſter zu ſtaͤrken verpflichtet ſey, noch dazu durch die menſchenfeindliche Inſpirazion Matthieus erſchweret und vereitelt werde — daß alſo ihr Abſondern ſo wenig erleichtere als ihr Beſuchen verſchlage — daß es indeſſen ſchoͤn ſey, den Bruder zu ſchonen und blos in ſeine Abweſen¬ heit einen verdaͤchtigen Ausflug zu verlegen, bis ihn einmal die heruntergezogne Binde in der Unge¬ treuen die Schweſter entdecke und im Nebenbuhler den ſchonenden Freund — und daß es immer beſſer ſey, ſie in Maienthal als bei ihrer Zuruͤckkunft in ſeiner Naͤhe zu ſprechen — und daß der uͤber ſeine Abſtammung belehrte Bruder ihm einmal doch blos vorruͤcken koͤnne, er habe ihm keine Taͤuſchungen ge¬ nommen als unangenehme. — O die Liebe und die Tugend haben ein nacktes Gewiſſen und entſchuldi¬ gen ihre himmliſchen Freuden laͤnger und mehr als andere ihre hoͤlliſchen! Als Viktor noch dazu daran dachte, daß den Tagen der Liebe ſobald das Laub und die Bluͤthen abfallen und daß Emanuel und ſelber Klotilde zwei

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/69>, abgerufen am 21.11.2024.