cket nicht das gläserne Gehäuse der Damenuhr das ganze darauf gefirniste Uhrportrait am Boden auf und wendet blos das Beschmutzen, nicht das Be¬ schauen ab? -- Und was wirst du für Reflexionen machen, wenn ich dir diese zwei vorlese!
Dieser Brief stärkte zugleich seinen Wunsch, um Klotilde zu seyn, und seine Kraft, ihn aufzugeben -- bis des andern Tags in der Toilette-Stunde ein Zufall alles änderte. Matthieu, der fast mehr Be¬ suche bei Feinden als bei Freunden ablegte, kam vom Apotheker herauf. Er sah die Prospekte von Mai¬ enthal nnd den Florhut; und da er wußte, daß sei¬ ne Schwester Joachime beides habe: so sagte er scherzhaft: "ich glaube, Sie wollen sich verkleiden, oder man hat sich entkleidet." Viktor flatterte mit einem leeren lustigen "Beides!" darüber. Er nahm nicht gern den Namen der Liebe oder eines Weibes vor einem Menschen in den Mund, der an keine Tugend glaubte, am wenigsten an weibliche, der zwar wie andre Spinnen auf andere Musik, sich an seinem Faden auf die Liebe niederließ, der aber wie Mäuse aus Liebe zu den Tönen, über die Saiten kroch und sie zersprengte. Viktor war ungern (vor seinem Hofleben) mit solchen philosophischen Ehren¬ räubern unter unbescholtenen Mädgen, weil es ihm schon wehe that, an den Gesichtspunkt der erstern erinnert zu werden. "Von meiner Tochter, sagt'
cket nicht das glaͤſerne Gehaͤuſe der Damenuhr das ganze darauf gefirniſte Uhrportrait am Boden auf und wendet blos das Beſchmutzen‚ nicht das Be¬ ſchauen ab? — Und was wirſt du fuͤr Reflexionen machen‚ wenn ich dir dieſe zwei vorleſe!
Dieſer Brief ſtaͤrkte zugleich ſeinen Wunſch‚ um Klotilde zu ſeyn‚ und ſeine Kraft‚ ihn aufzugeben — bis des andern Tags in der Toilette-Stunde ein Zufall alles aͤnderte. Matthieu‚ der faſt mehr Be¬ ſuche bei Feinden als bei Freunden ablegte‚ kam vom Apotheker herauf. Er ſah die Proſpekte von Mai¬ enthal nnd den Florhut; und da er wußte, daß ſei¬ ne Schweſter Joachime beides habe: ſo ſagte er ſcherzhaft: »ich glaube, Sie wollen ſich verkleiden, oder man hat ſich entkleidet.» Viktor flatterte mit einem leeren luſtigen »Beides!» daruͤber. Er nahm nicht gern den Namen der Liebe oder eines Weibes vor einem Menſchen in den Mund, der an keine Tugend glaubte, am wenigſten an weibliche, der zwar wie andre Spinnen auf andere Muſik, ſich an ſeinem Faden auf die Liebe niederließ, der aber wie Maͤuſe aus Liebe zu den Toͤnen, uͤber die Saiten kroch und ſie zerſprengte. Viktor war ungern (vor ſeinem Hofleben) mit ſolchen philoſophiſchen Ehren¬ raͤubern unter unbeſcholtenen Maͤdgen, weil es ihm ſchon wehe that, an den Geſichtspunkt der erſtern erinnert zu werden. »Von meiner Tochter, ſagt'
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cket nicht das glaͤſerne Gehaͤuſe der Damenuhr das
ganze darauf gefirniſte Uhrportrait am Boden auf
und wendet blos das Beſchmutzen‚ nicht das Be¬
ſchauen ab? — Und was wirſt du fuͤr Reflexionen
machen‚ wenn ich dir dieſe zwei vorleſe!
Dieſer Brief ſtaͤrkte zugleich ſeinen Wunſch‚ um
Klotilde zu ſeyn‚ und ſeine Kraft‚ ihn aufzugeben —
bis des andern Tags in der Toilette-Stunde ein
Zufall alles aͤnderte. Matthieu‚ der faſt mehr Be¬
ſuche bei Feinden als bei Freunden ablegte‚ kam vom
Apotheker herauf. Er ſah die Proſpekte von Mai¬
enthal nnd den Florhut; und da er wußte, daß ſei¬
ne Schweſter Joachime beides habe: ſo ſagte er
ſcherzhaft: »ich glaube, Sie wollen ſich verkleiden,
oder man hat ſich entkleidet.» Viktor flatterte mit
einem leeren luſtigen »Beides!» daruͤber. Er nahm
nicht gern den Namen der Liebe oder eines Weibes
vor einem Menſchen in den Mund, der an keine
Tugend glaubte, am wenigſten an weibliche, der
zwar wie andre Spinnen auf andere Muſik, ſich an
ſeinem Faden auf die Liebe niederließ, der aber wie
Maͤuſe aus Liebe zu den Toͤnen, uͤber die Saiten
kroch und ſie zerſprengte. Viktor war ungern (vor
ſeinem Hofleben) mit ſolchen philoſophiſchen Ehren¬
raͤubern unter unbeſcholtenen Maͤdgen, weil es ihm
ſchon wehe that, an den Geſichtspunkt der erſtern
erinnert zu werden. »Von meiner Tochter, ſagt'
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/66>, abgerufen am 21.11.2024.
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