auf einem einzigen bebenden langen Dreiklang des Klaviers auf und niederwiegt: dann thut dem taumelnden Herzen das Zittern und Schweigen und die unendliche Liebe zu weh, dann sehn' ich mich nur nach dem kleinsten Laut, womit ich der Geliebten meines Herzens sagen darf, wie ich sie liebe, wie ich sie ehre, daß ich für sie leben will, daß ich für sie sterben will. -- -- O mein Traum, mein Traum tritt mir jetzt wie eine Thräne an's Herz! In der Nacht des dritten Ostertags träumte mir: ich und Emanuel ständen in einer dunkeln Nachtgegend -- eine große Sense am westlichen Ho¬ rizont warf wiederscheinende laufende Blitze auf die hohen Fluren, die sogleich vertrockneten und erblichen -- Wenn aber ein Blitz in unser Auge flatterte: so zog sich unser Herz süß zergehend empor in der Brust und unsere Körper wurden leichter zum weg¬ schweben. "Es ist die Sense der Zeit, sagte Ema¬ "nuel, aber von was hat sie wohl den Wieder¬ "schein?" -- Wir schaueten nach Morgen und dort hing tief in der Ferne und in der Luft ein weites dunkelglühendes Land aus Duft, das zuweilen blitzte. "Ist das nicht die Ewigkeit?" sagte Emanuel. -- Da sanken vor uns lichte Schneeperlen wie Funken nieder -- wir blickten auf und drei goldgrüne Para¬ diesvögel wiegten sich oben und zogen ewig in einem kleinen Kreis hinter einander umher und die fallen¬
auf einem einzigen bebenden langen Dreiklang des Klaviers auf und niederwiegt: dann thut dem taumelnden Herzen das Zittern und Schweigen und die unendliche Liebe zu weh, dann ſehn' ich mich nur nach dem kleinſten Laut, womit ich der Geliebten meines Herzens ſagen darf, wie ich ſie liebe, wie ich ſie ehre, daß ich fuͤr ſie leben will, daß ich fuͤr ſie ſterben will. — — O mein Traum, mein Traum tritt mir jetzt wie eine Thraͤne an's Herz! In der Nacht des dritten Oſtertags traͤumte mir: ich und Emanuel ſtaͤnden in einer dunkeln Nachtgegend — eine große Senſe am weſtlichen Ho¬ rizont warf wiederſcheinende laufende Blitze auf die hohen Fluren, die ſogleich vertrockneten und erblichen — Wenn aber ein Blitz in unſer Auge flatterte: ſo zog ſich unſer Herz ſuͤß zergehend empor in der Bruſt und unſere Koͤrper wurden leichter zum weg¬ ſchweben. »Es iſt die Senſe der Zeit, ſagte Ema¬ »nuel, aber von was hat ſie wohl den Wieder¬ »ſchein?« — Wir ſchaueten nach Morgen und dort hing tief in der Ferne und in der Luft ein weites dunkelgluͤhendes Land aus Duft, das zuweilen blitzte. »Iſt das nicht die Ewigkeit?« ſagte Emanuel. — Da ſanken vor uns lichte Schneeperlen wie Funken nieder — wir blickten auf und drei goldgruͤne Para¬ diesvoͤgel wiegten ſich oben und zogen ewig in einem kleinen Kreis hinter einander umher und die fallen¬
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auf einem einzigen bebenden langen Dreiklang des
Klaviers auf und niederwiegt: dann thut dem
taumelnden Herzen das Zittern und Schweigen
und die unendliche Liebe zu weh, dann ſehn' ich
mich nur nach dem kleinſten Laut, womit ich der
Geliebten meines Herzens ſagen darf, wie ich ſie
liebe, wie ich ſie ehre, daß ich fuͤr ſie leben will,
daß ich fuͤr ſie ſterben will. — — O mein Traum,
mein Traum tritt mir jetzt wie eine Thraͤne an's
Herz! In der Nacht des dritten Oſtertags traͤumte
mir: ich und Emanuel ſtaͤnden in einer dunkeln
Nachtgegend — eine große Senſe am weſtlichen Ho¬
rizont warf wiederſcheinende laufende Blitze auf die
hohen Fluren, die ſogleich vertrockneten und erblichen
— Wenn aber ein Blitz in unſer Auge flatterte:
ſo zog ſich unſer Herz ſuͤß zergehend empor in der
Bruſt und unſere Koͤrper wurden leichter zum weg¬
ſchweben. »Es iſt die Senſe der Zeit, ſagte Ema¬
»nuel, aber von was hat ſie wohl den Wieder¬
»ſchein?« — Wir ſchaueten nach Morgen und dort
hing tief in der Ferne und in der Luft ein weites
dunkelgluͤhendes Land aus Duft, das zuweilen blitzte.
»Iſt das nicht die Ewigkeit?« ſagte Emanuel. —
Da ſanken vor uns lichte Schneeperlen wie Funken
nieder — wir blickten auf und drei goldgruͤne Para¬
diesvoͤgel wiegten ſich oben und zogen ewig in einem
kleinen Kreis hinter einander umher und die fallen¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/51>, abgerufen am 24.11.2024.
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