Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

benden Traumnacht -- Siehe! da behielt ich aus
dem paradisischen Traum eine Blume*), die Sie
mir gelassen haben, damit ich unaussprechlich glück¬
lich bliebe -- und damit meine Sehnsucht so groß
würde wie meine Seeligkeit. Warum zieht dieser
Flor alle heisse Thränen tief aus meinem Herzen
herauf, warum seh' ich hinter diesem gewebten Ge¬
gitter die Augen aufgehen, die so weit von mir sind
und die mein Inneres so wehmüthig bewegen? O
nichts befriedigt die liebende Seele als was sie mit
der geliebten theilt -- darum schau' ich den Früh¬
ling mit so süßem Wallen an: denn sie genießet ihn
auch, sag' ich -- darum gefällst du mir so, du lieber
Mond und Abendstern: denn du überspinnst mit dei¬
nen Silberfäden auch ihre Schatten und ihre Mai¬
blumen -- darum vertief ich mich so gern in jedes
schattirte Thal Ihres Eldorados*); denn ich denke:
in den vergrößerten Schatten, in duftenden Blüten
dieser Bilder wandelt sie jetzt und die Mondssichel
wendet die Blitze der Sonne gemildert auf Ihr
Auge zurück. -- Wenn ich dann zu freudig werde,
wenn der Abendregen der Erinnerung auf die
heissen Wangen fällt, wenn sich meine Entzückung

*) Den Florhut.
*) Die Prospekte von Maienthal.

benden Traumnacht — Siehe! da behielt ich aus
dem paradiſiſchen Traum eine Blume*), die Sie
mir gelaſſen haben, damit ich unausſprechlich gluͤck¬
lich bliebe — und damit meine Sehnſucht ſo groß
wuͤrde wie meine Seeligkeit. Warum zieht dieſer
Flor alle heiſſe Thraͤnen tief aus meinem Herzen
herauf, warum ſeh' ich hinter dieſem gewebten Ge¬
gitter die Augen aufgehen, die ſo weit von mir ſind
und die mein Inneres ſo wehmuͤthig bewegen? O
nichts befriedigt die liebende Seele als was ſie mit
der geliebten theilt — darum ſchau' ich den Fruͤh¬
ling mit ſo ſuͤßem Wallen an: denn ſie genießet ihn
auch, ſag' ich — darum gefaͤllſt du mir ſo, du lieber
Mond und Abendſtern: denn du uͤberſpinnſt mit dei¬
nen Silberfaͤden auch ihre Schatten und ihre Mai¬
blumen — darum vertief ich mich ſo gern in jedes
ſchattirte Thal Ihres Eldorados*); denn ich denke:
in den vergroͤßerten Schatten, in duftenden Bluͤten
dieſer Bilder wandelt ſie jetzt und die Mondsſichel
wendet die Blitze der Sonne gemildert auf Ihr
Auge zuruͤck. — Wenn ich dann zu freudig werde,
wenn der Abendregen der Erinnerung auf die
heiſſen Wangen faͤllt, wenn ſich meine Entzuͤckung

*) Den Florhut.
*) Die Proſpekte von Maienthal.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0050" n="40"/>
benden Traumnacht &#x2014; Siehe! da behielt ich aus<lb/>
dem paradi&#x017F;i&#x017F;chen Traum eine Blume<note place="foot" n="*)">Den Florhut.</note>, die Sie<lb/>
mir gela&#x017F;&#x017F;en haben, damit ich unaus&#x017F;prechlich glu&#x0364;ck¬<lb/>
lich bliebe &#x2014; und damit meine Sehn&#x017F;ucht &#x017F;o groß<lb/>
wu&#x0364;rde wie meine Seeligkeit. Warum zieht die&#x017F;er<lb/>
Flor alle hei&#x017F;&#x017F;e Thra&#x0364;nen tief aus meinem Herzen<lb/>
herauf, warum &#x017F;eh' ich hinter die&#x017F;em gewebten Ge¬<lb/>
gitter die Augen aufgehen, die &#x017F;o weit von mir &#x017F;ind<lb/>
und die mein Inneres &#x017F;o wehmu&#x0364;thig bewegen? O<lb/>
nichts befriedigt die liebende Seele als was &#x017F;ie mit<lb/>
der geliebten theilt &#x2014; darum &#x017F;chau' ich den Fru&#x0364;<lb/>
ling mit &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;ßem Wallen an: denn &#x017F;ie genießet ihn<lb/>
auch, &#x017F;ag' ich &#x2014; darum gefa&#x0364;ll&#x017F;t du mir &#x017F;o, du lieber<lb/>
Mond und Abend&#x017F;tern: denn du u&#x0364;ber&#x017F;pinn&#x017F;t mit dei¬<lb/>
nen Silberfa&#x0364;den auch ihre Schatten und ihre Mai¬<lb/>
blumen &#x2014; darum vertief ich mich &#x017F;o gern in jedes<lb/>
&#x017F;chattirte Thal Ihres Eldorados<note place="foot" n="*)">Die Pro&#x017F;pekte von Maienthal.</note>; denn ich denke:<lb/>
in den vergro&#x0364;ßerten Schatten, in duftenden Blu&#x0364;ten<lb/>
die&#x017F;er Bilder wandelt &#x017F;ie jetzt und die Monds&#x017F;ichel<lb/>
wendet die Blitze der Sonne gemildert auf Ihr<lb/>
Auge zuru&#x0364;ck. &#x2014; Wenn ich dann zu freudig werde,<lb/>
wenn der <hi rendition="#g">Abendregen</hi> der Erinnerung auf die<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en Wangen fa&#x0364;llt, wenn &#x017F;ich meine Entzu&#x0364;ckung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0050] benden Traumnacht — Siehe! da behielt ich aus dem paradiſiſchen Traum eine Blume *), die Sie mir gelaſſen haben, damit ich unausſprechlich gluͤck¬ lich bliebe — und damit meine Sehnſucht ſo groß wuͤrde wie meine Seeligkeit. Warum zieht dieſer Flor alle heiſſe Thraͤnen tief aus meinem Herzen herauf, warum ſeh' ich hinter dieſem gewebten Ge¬ gitter die Augen aufgehen, die ſo weit von mir ſind und die mein Inneres ſo wehmuͤthig bewegen? O nichts befriedigt die liebende Seele als was ſie mit der geliebten theilt — darum ſchau' ich den Fruͤh¬ ling mit ſo ſuͤßem Wallen an: denn ſie genießet ihn auch, ſag' ich — darum gefaͤllſt du mir ſo, du lieber Mond und Abendſtern: denn du uͤberſpinnſt mit dei¬ nen Silberfaͤden auch ihre Schatten und ihre Mai¬ blumen — darum vertief ich mich ſo gern in jedes ſchattirte Thal Ihres Eldorados *); denn ich denke: in den vergroͤßerten Schatten, in duftenden Bluͤten dieſer Bilder wandelt ſie jetzt und die Mondsſichel wendet die Blitze der Sonne gemildert auf Ihr Auge zuruͤck. — Wenn ich dann zu freudig werde, wenn der Abendregen der Erinnerung auf die heiſſen Wangen faͤllt, wenn ſich meine Entzuͤckung *) Den Florhut. *) Die Proſpekte von Maienthal.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/50
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/50>, abgerufen am 26.04.2024.