Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

"an keinem schönern Tage Ihren Sohn wieder fin¬
"den als am Geburtstage Ihrer Tochter." ....

Daran hatte in den bisherigen Wirbelwinden kei¬
ner gedacht. Welches frohe Chaos! Welch eine
herzliche liebende Sprachverwirrung der Improvisa¬
tori von edlen Gratulanten! Welch ein gerührter
Augendank Klotildens für ein so verbindliches Ge¬
dächtniß!

Man zog jetzt trunken durch den kühlen Garten
in das Schloß. O wenn Schwesterliebe, Kindes¬
liebe, Mutterliebe, Geliebten-Liebe und Freundschaft
neben einander auf den Altären brennen: so thut es
dem guten Menschen wohl, daß das Menschenherz
so edel ist und den Stoff zu so vielen Flammen ver¬
wahrt, und daß wir Liebe und Wärme nur fühlen,
wenn wir sie ausser uns vertheilen, so wie unser
Blut uns nicht eher warm vorkömmt, als bis es
ausserhalb den Adern geflossen im Freien ist. -- O
Liebe! wie glücklich sind wir, daß du von einer
zweiten Seele angeschauet, dich wieder erzeugst und
verdoppelst, daß warme Herzen warme ziehen und
schaffen wie Sonnen Planeten, die größern die klei¬
nern und Gott alle -- und daß selber der dunkle
Planet nur eine kleinere, überzogene, eingehäusige
Sonne ist. . . . Aber zurück! Alle Seelen standen
heute hoch auf ihrer Alpe und sahen -- wie auf ei¬
ner physischen -- den Regenbogen des Menschen¬

»an keinem ſchoͤnern Tage Ihren Sohn wieder fin¬
»den als am Geburtstage Ihrer Tochter.« ....

Daran hatte in den bisherigen Wirbelwinden kei¬
ner gedacht. Welches frohe Chaos! Welch eine
herzliche liebende Sprachverwirrung der Improviſa¬
tori von edlen Gratulanten! Welch ein geruͤhrter
Augendank Klotildens fuͤr ein ſo verbindliches Ge¬
daͤchtniß!

Man zog jetzt trunken durch den kuͤhlen Garten
in das Schloß. O wenn Schweſterliebe, Kindes¬
liebe, Mutterliebe, Geliebten-Liebe und Freundſchaft
neben einander auf den Altaͤren brennen: ſo thut es
dem guten Menſchen wohl, daß das Menſchenherz
ſo edel iſt und den Stoff zu ſo vielen Flammen ver¬
wahrt, und daß wir Liebe und Waͤrme nur fuͤhlen,
wenn wir ſie auſſer uns vertheilen, ſo wie unſer
Blut uns nicht eher warm vorkoͤmmt, als bis es
auſſerhalb den Adern gefloſſen im Freien iſt. — O
Liebe! wie gluͤcklich ſind wir, daß du von einer
zweiten Seele angeſchauet, dich wieder erzeugſt und
verdoppelſt, daß warme Herzen warme ziehen und
ſchaffen wie Sonnen Planeten, die groͤßern die klei¬
nern und Gott alle — und daß ſelber der dunkle
Planet nur eine kleinere, uͤberzogene, eingehaͤuſige
Sonne iſt. . . . Aber zuruͤck! Alle Seelen ſtanden
heute hoch auf ihrer Alpe und ſahen — wie auf ei¬
ner phyſiſchen — den Regenbogen des Menſchen¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0416" n="406"/>
»an keinem &#x017F;cho&#x0364;nern Tage Ihren Sohn wieder fin¬<lb/>
»den als am Geburtstage Ihrer Tochter.« ....</p><lb/>
          <p>Daran hatte in den bisherigen Wirbelwinden kei¬<lb/>
ner gedacht. Welches frohe Chaos! Welch eine<lb/>
herzliche liebende Sprachverwirrung der Improvi&#x017F;<lb/>
tori von edlen Gratulanten! Welch ein geru&#x0364;hrter<lb/>
Augendank Klotildens fu&#x0364;r ein &#x017F;o verbindliches Ge¬<lb/>
da&#x0364;chtniß!</p><lb/>
          <p>Man zog jetzt trunken durch den ku&#x0364;hlen Garten<lb/>
in das Schloß. O wenn Schwe&#x017F;terliebe, Kindes¬<lb/>
liebe, Mutterliebe, Geliebten-Liebe und Freund&#x017F;chaft<lb/>
neben einander auf den Alta&#x0364;ren brennen: &#x017F;o thut es<lb/>
dem guten Men&#x017F;chen wohl, daß das Men&#x017F;chenherz<lb/>
&#x017F;o edel i&#x017F;t und den Stoff zu &#x017F;o vielen Flammen ver¬<lb/>
wahrt, und daß wir Liebe und Wa&#x0364;rme nur fu&#x0364;hlen,<lb/>
wenn wir &#x017F;ie au&#x017F;&#x017F;er uns vertheilen, &#x017F;o wie un&#x017F;er<lb/>
Blut uns nicht eher warm vorko&#x0364;mmt, als bis es<lb/>
au&#x017F;&#x017F;erhalb den Adern geflo&#x017F;&#x017F;en im Freien i&#x017F;t. &#x2014; O<lb/>
Liebe! wie glu&#x0364;cklich &#x017F;ind wir, daß du von einer<lb/>
zweiten Seele ange&#x017F;chauet, dich wieder erzeug&#x017F;t und<lb/>
verdoppel&#x017F;t, daß warme Herzen warme ziehen und<lb/>
&#x017F;chaffen wie Sonnen Planeten, die gro&#x0364;ßern die klei¬<lb/>
nern und Gott alle &#x2014; und daß &#x017F;elber der dunkle<lb/>
Planet nur eine kleinere, u&#x0364;berzogene, eingeha&#x0364;u&#x017F;ige<lb/>
Sonne i&#x017F;t. . . . Aber zuru&#x0364;ck! Alle Seelen &#x017F;tanden<lb/>
heute hoch auf ihrer Alpe und &#x017F;ahen &#x2014; wie auf ei¬<lb/>
ner phy&#x017F;i&#x017F;chen &#x2014; den <hi rendition="#g">Regenbogen</hi> des Men&#x017F;chen¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[406/0416] »an keinem ſchoͤnern Tage Ihren Sohn wieder fin¬ »den als am Geburtstage Ihrer Tochter.« .... Daran hatte in den bisherigen Wirbelwinden kei¬ ner gedacht. Welches frohe Chaos! Welch eine herzliche liebende Sprachverwirrung der Improviſa¬ tori von edlen Gratulanten! Welch ein geruͤhrter Augendank Klotildens fuͤr ein ſo verbindliches Ge¬ daͤchtniß! Man zog jetzt trunken durch den kuͤhlen Garten in das Schloß. O wenn Schweſterliebe, Kindes¬ liebe, Mutterliebe, Geliebten-Liebe und Freundſchaft neben einander auf den Altaͤren brennen: ſo thut es dem guten Menſchen wohl, daß das Menſchenherz ſo edel iſt und den Stoff zu ſo vielen Flammen ver¬ wahrt, und daß wir Liebe und Waͤrme nur fuͤhlen, wenn wir ſie auſſer uns vertheilen, ſo wie unſer Blut uns nicht eher warm vorkoͤmmt, als bis es auſſerhalb den Adern gefloſſen im Freien iſt. — O Liebe! wie gluͤcklich ſind wir, daß du von einer zweiten Seele angeſchauet, dich wieder erzeugſt und verdoppelſt, daß warme Herzen warme ziehen und ſchaffen wie Sonnen Planeten, die groͤßern die klei¬ nern und Gott alle — und daß ſelber der dunkle Planet nur eine kleinere, uͤberzogene, eingehaͤuſige Sonne iſt. . . . Aber zuruͤck! Alle Seelen ſtanden heute hoch auf ihrer Alpe und ſahen — wie auf ei¬ ner phyſiſchen — den Regenbogen des Menſchen¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/416
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/416>, abgerufen am 22.11.2024.