Den Fürsten machten solche Satiren recht lustig und -- ungläubig. D. Kuhlpepper hingegen hielt auf seine Würde und würde gegen einen Satirikus der vom langsamen Dezimiren der Aerzte gesprochen hätte, seinen Degen gezogen und ihn durch ein schnel¬ leres vollständig widerlegt haben. Ich rathe jedem, der in der Welt etwas werden will, (nämlich etwas anders) bei den Männern auszusehen wie ein Lei¬ chenbitter -- bei den Weibern wie ein Gevatterbit¬ ter. -- Der Fürst hielt sich im siechen Frühjahr aus zwei Gründen wieder vom Zipperlein besessen, erst¬ lich weil ich noch keinen Nerven-Schwächling ge¬ kannt habe, der sich eine Krankheit, die ich ihm im Sommer ausgeredet hatte, nicht im nächsten kränk¬ lichen Winter wieder in den Kopf gesetzt hätte -- zweitens weil Jenner nachgerechnet, daß er oft genug vor Damen auf die Knie gefallen war, um das An¬ beten daran noch als Gonagra zu spüren.
So stand's, als ein kleiner Zufall meinen Viktor wieder glücklich machte. Ich muß nur vorher sagen, daß er ohnehin gar nicht unglücklich war: denn ein Liebhaber bekümmert sich um nichts, um einen Hof gar nicht; er hat Amors Binde um und verzeiht gern der Fortuna und der Justiz die ihrigen. Und das moralische Osterfeuer lösete -- so wie Aberglaube dem physischen eine eigne Kraft beimisset -- alles Eis, womit man Viktors Blut andämmte, in Freu¬
Den Fuͤrſten machten ſolche Satiren recht luſtig und — unglaͤubig. D. Kuhlpepper hingegen hielt auf ſeine Wuͤrde und wuͤrde gegen einen Satirikus der vom langſamen Dezimiren der Aerzte geſprochen haͤtte, ſeinen Degen gezogen und ihn durch ein ſchnel¬ leres vollſtaͤndig widerlegt haben. Ich rathe jedem, der in der Welt etwas werden will, (naͤmlich etwas anders) bei den Maͤnnern auszuſehen wie ein Lei¬ chenbitter — bei den Weibern wie ein Gevatterbit¬ ter. — Der Fuͤrſt hielt ſich im ſiechen Fruͤhjahr aus zwei Gruͤnden wieder vom Zipperlein beſeſſen, erſt¬ lich weil ich noch keinen Nerven-Schwaͤchling ge¬ kannt habe, der ſich eine Krankheit, die ich ihm im Sommer ausgeredet hatte, nicht im naͤchſten kraͤnk¬ lichen Winter wieder in den Kopf geſetzt haͤtte — zweitens weil Jenner nachgerechnet, daß er oft genug vor Damen auf die Knie gefallen war, um das An¬ beten daran noch als Gonagra zu ſpuͤren.
So ſtand's, als ein kleiner Zufall meinen Viktor wieder gluͤcklich machte. Ich muß nur vorher ſagen, daß er ohnehin gar nicht ungluͤcklich war: denn ein Liebhaber bekuͤmmert ſich um nichts, um einen Hof gar nicht; er hat Amors Binde um und verzeiht gern der Fortuna und der Juſtiz die ihrigen. Und das moraliſche Oſterfeuer loͤſete — ſo wie Aberglaube dem phyſiſchen eine eigne Kraft beimiſſet — alles Eis, womit man Viktors Blut andaͤmmte, in Freu¬
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Den Fuͤrſten machten ſolche Satiren recht luſtig
und — unglaͤubig. D. Kuhlpepper hingegen hielt
auf ſeine Wuͤrde und wuͤrde gegen einen Satirikus
der vom langſamen Dezimiren der Aerzte geſprochen
haͤtte, ſeinen Degen gezogen und ihn durch ein ſchnel¬
leres vollſtaͤndig widerlegt haben. Ich rathe jedem,
der in der Welt etwas werden will, (naͤmlich etwas
anders) bei den Maͤnnern auszuſehen wie ein Lei¬
chenbitter — bei den Weibern wie ein Gevatterbit¬
ter. — Der Fuͤrſt hielt ſich im ſiechen Fruͤhjahr aus
zwei Gruͤnden wieder vom Zipperlein beſeſſen, erſt¬
lich weil ich noch keinen Nerven-Schwaͤchling ge¬
kannt habe, der ſich eine Krankheit, die ich ihm im
Sommer ausgeredet hatte, nicht im naͤchſten kraͤnk¬
lichen Winter wieder in den Kopf geſetzt haͤtte —
zweitens weil Jenner nachgerechnet, daß er oft genug
vor Damen auf die Knie gefallen war, um das An¬
beten daran noch als Gonagra zu ſpuͤren.
So ſtand's, als ein kleiner Zufall meinen Viktor
wieder gluͤcklich machte. Ich muß nur vorher ſagen,
daß er ohnehin gar nicht ungluͤcklich war: denn ein
Liebhaber bekuͤmmert ſich um nichts, um einen Hof
gar nicht; er hat Amors Binde um und verzeiht
gern der Fortuna und der Juſtiz die ihrigen. Und
das moraliſche Oſterfeuer loͤſete — ſo wie Aberglaube
dem phyſiſchen eine eigne Kraft beimiſſet — alles
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/39>, abgerufen am 24.11.2024.
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