Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

sein Inneres brauste -- sein Auge glühte trocken --
denn er wählte unter den Waffen des Todes --
Warum gieng er so spät, im Dunkeln, mit einem
stürmenden Innern, das alle süßen Träume verfinster¬
te, noch nach Maienthal? -- Er wollte zu Ema¬
nuels Grabe: nicht um da zu trauern, nicht
um da zu träumen; sondern um sich da eine
Höhle zu suchen, nämlich die letzte. Der reis¬
sende Gram hatte ein Gemälde seines Sterbens
entworfen und er hatte den Riß gebilligt: er wollte
nämlich neben der Trauerbirke sein Grab aushölen, sich
hinlegen, sich darin tödten, und sich dann von dem
blinden Julius, der nichts wissen und sehen kann,
mit Erde überschütten lassen und so, verhüllt, un¬
bekannt, namenlos aus dem Leben fliehen an die
modernde Seite seines Emanuels. . . .

Schwarze Leichenzüge von Raben flogen langsam
wie Gewölke durch den sonnenlosen Himmel und
senkten sich wie Gewölke in die Wälder nieder.
-- Der halbe Mond hieng über die Erde -- ein klei¬
ner fremder Schatten so groß wie ein Herz lief fürch¬
terlich neben ihm, er sah auf, es war der Schat¬
ten eines langsam schwebenden Geiers. -- Er riß
sich durch Maienthal, er sah nicht den entblätterten
Garten und Dahores verschlossenes Haus, sondern lief
durch die Kastanienallee der entgegen. -- --

Aber unter den Kastanien am Orte, wo ihn Fla

ſein Inneres brauſte — ſein Auge gluͤhte trocken —
denn er waͤhlte unter den Waffen des Todes —
Warum gieng er ſo ſpaͤt, im Dunkeln, mit einem
ſtuͤrmenden Innern, das alle ſuͤßen Traͤume verfinſter¬
te, noch nach Maienthal? — Er wollte zu Ema¬
nuels Grabe: nicht um da zu trauern, nicht
um da zu traͤumen; ſondern um ſich da eine
Hoͤhle zu ſuchen, naͤmlich die letzte. Der reiſ¬
ſende Gram hatte ein Gemaͤlde ſeines Sterbens
entworfen und er hatte den Riß gebilligt: er wollte
naͤmlich neben der Trauerbirke ſein Grab aushoͤlen, ſich
hinlegen, ſich darin toͤdten, und ſich dann von dem
blinden Julius, der nichts wiſſen und ſehen kann,
mit Erde uͤberſchuͤtten laſſen und ſo, verhuͤllt, un¬
bekannt, namenlos aus dem Leben fliehen an die
modernde Seite ſeines Emanuels. . . .

Schwarze Leichenzuͤge von Raben flogen langſam
wie Gewoͤlke durch den ſonnenloſen Himmel und
ſenkten ſich wie Gewoͤlke in die Waͤlder nieder.
— Der halbe Mond hieng uͤber die Erde — ein klei¬
ner fremder Schatten ſo groß wie ein Herz lief fuͤrch¬
terlich neben ihm, er ſah auf, es war der Schat¬
ten eines langſam ſchwebenden Geiers. — Er riß
ſich durch Maienthal, er ſah nicht den entblaͤtterten
Garten und Dahores verſchloſſenes Haus, ſondern lief
durch die Kaſtanienallee der entgegen. — —

Aber unter den Kaſtanien am Orte, wo ihn Fla

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0380" n="370"/>
&#x017F;ein Inneres brau&#x017F;te &#x2014; &#x017F;ein Auge glu&#x0364;hte trocken &#x2014;<lb/>
denn er wa&#x0364;hlte unter den Waffen des Todes &#x2014;<lb/>
Warum gieng er &#x017F;o &#x017F;pa&#x0364;t, im Dunkeln, mit einem<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rmenden Innern, das alle &#x017F;u&#x0364;ßen Tra&#x0364;ume verfin&#x017F;ter¬<lb/>
te, noch nach Maienthal? &#x2014; Er wollte zu Ema¬<lb/>
nuels Grabe: nicht um da zu trauern, nicht<lb/>
um da zu tra&#x0364;umen; &#x017F;ondern um &#x017F;ich da eine<lb/>
Ho&#x0364;hle zu <choice><sic>&#x017F;ucheu</sic><corr>&#x017F;uchen</corr></choice>, na&#x0364;mlich die letzte. Der rei&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;ende Gram hatte ein Gema&#x0364;lde &#x017F;eines Sterbens<lb/>
entworfen und er hatte den Riß gebilligt: er wollte<lb/>
na&#x0364;mlich neben der Trauerbirke &#x017F;ein Grab ausho&#x0364;len, &#x017F;ich<lb/>
hinlegen, &#x017F;ich darin to&#x0364;dten, und &#x017F;ich dann von dem<lb/>
blinden Julius, der nichts wi&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ehen kann,<lb/>
mit Erde u&#x0364;ber&#x017F;chu&#x0364;tten la&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;o, verhu&#x0364;llt, un¬<lb/>
bekannt, namenlos aus dem Leben fliehen an die<lb/>
modernde Seite &#x017F;eines Emanuels. . . .</p><lb/>
          <p>Schwarze Leichenzu&#x0364;ge von Raben flogen lang&#x017F;am<lb/>
wie Gewo&#x0364;lke durch den &#x017F;onnenlo&#x017F;en Himmel und<lb/>
&#x017F;enkten &#x017F;ich wie Gewo&#x0364;lke in die Wa&#x0364;lder nieder.<lb/>
&#x2014; Der halbe Mond hieng u&#x0364;ber die Erde &#x2014; ein klei¬<lb/>
ner fremder Schatten &#x017F;o groß wie ein Herz lief fu&#x0364;rch¬<lb/>
terlich neben ihm, er &#x017F;ah auf, es war der Schat¬<lb/>
ten eines lang&#x017F;am &#x017F;chwebenden Geiers. &#x2014; Er riß<lb/>
&#x017F;ich durch Maienthal, er &#x017F;ah nicht den entbla&#x0364;tterten<lb/>
Garten und Dahores ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enes Haus, &#x017F;ondern lief<lb/>
durch die Ka&#x017F;tanienallee der entgegen. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Aber unter den Ka&#x017F;tanien am Orte, wo ihn Fla<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[370/0380] ſein Inneres brauſte — ſein Auge gluͤhte trocken — denn er waͤhlte unter den Waffen des Todes — Warum gieng er ſo ſpaͤt, im Dunkeln, mit einem ſtuͤrmenden Innern, das alle ſuͤßen Traͤume verfinſter¬ te, noch nach Maienthal? — Er wollte zu Ema¬ nuels Grabe: nicht um da zu trauern, nicht um da zu traͤumen; ſondern um ſich da eine Hoͤhle zu ſuchen, naͤmlich die letzte. Der reiſ¬ ſende Gram hatte ein Gemaͤlde ſeines Sterbens entworfen und er hatte den Riß gebilligt: er wollte naͤmlich neben der Trauerbirke ſein Grab aushoͤlen, ſich hinlegen, ſich darin toͤdten, und ſich dann von dem blinden Julius, der nichts wiſſen und ſehen kann, mit Erde uͤberſchuͤtten laſſen und ſo, verhuͤllt, un¬ bekannt, namenlos aus dem Leben fliehen an die modernde Seite ſeines Emanuels. . . . Schwarze Leichenzuͤge von Raben flogen langſam wie Gewoͤlke durch den ſonnenloſen Himmel und ſenkten ſich wie Gewoͤlke in die Waͤlder nieder. — Der halbe Mond hieng uͤber die Erde — ein klei¬ ner fremder Schatten ſo groß wie ein Herz lief fuͤrch¬ terlich neben ihm, er ſah auf, es war der Schat¬ ten eines langſam ſchwebenden Geiers. — Er riß ſich durch Maienthal, er ſah nicht den entblaͤtterten Garten und Dahores verſchloſſenes Haus, ſondern lief durch die Kaſtanienallee der entgegen. — — Aber unter den Kaſtanien am Orte, wo ihn Fla

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/380
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/380>, abgerufen am 17.05.2024.