nicht mehr, eh' sie übertrat, sondern ihr Wasser lief wie Thau aus Blumen leicht und ohne Stocken nieder wie das Blut durch seine Brust.
Er sah jetzt St. Lüne liegen, aber gleichsam ent¬ rückt von ihm in einem Mondschein. Er gieng nicht hindurch, sondern aussen herum: "werde immer "breiter und lauter, schöner Ort, nie umzingle dich "ein Feind!" Mehr sagt' er nicht. Denn als er vor dem Kirchhof vorübergieng: dacht er: "haben "denn nicht diese auch alle von dem Orte Abschied "genommen; und thu' ichs allein?" -- Blos der Zurückblick nach dem Pfarr-Schieferdach entzündete noch einen Blitz des Schmerzens durch den Gedan¬ ken an die mütterlichen Thränen über seinen Tod; aber er sagte sich bald den Trost, daß das an Flamin gewöhnte Mutterherz der Pfarrerin den Kum¬ mer über das Opfer heilen werde durch die Freude über den geretteten Liebling.
Er gieng nun auf Maienthal zu und zog mit Fleiß seine träumenden Gedanken von dessen erhab¬ nen Stellen ab, um Abends bei der Ankunft) desto mehr -- Schmerz zu geniessen. Aber nun spann sich sein Ich in ein neues Gedankengewebe ein: er überdachte jetzt das Vergnügen, ohne alle Kranken¬ nächte hell und gerade, nicht liegend sondern aufge¬
richtet
nicht mehr, eh' ſie uͤbertrat, ſondern ihr Waſſer lief wie Thau aus Blumen leicht und ohne Stocken nieder wie das Blut durch ſeine Bruſt.
Er ſah jetzt St. Luͤne liegen, aber gleichſam ent¬ ruͤckt von ihm in einem Mondſchein. Er gieng nicht hindurch, ſondern auſſen herum: »werde immer »breiter und lauter, ſchoͤner Ort, nie umzingle dich »ein Feind!« Mehr ſagt' er nicht. Denn als er vor dem Kirchhof voruͤbergieng: dacht er: »haben »denn nicht dieſe auch alle von dem Orte Abſchied »genommen; und thu' ichs allein?« — Blos der Zuruͤckblick nach dem Pfarr-Schieferdach entzuͤndete noch einen Blitz des Schmerzens durch den Gedan¬ ken an die muͤtterlichen Thraͤnen uͤber ſeinen Tod; aber er ſagte ſich bald den Troſt, daß das an Flamin gewoͤhnte Mutterherz der Pfarrerin den Kum¬ mer uͤber das Opfer heilen werde durch die Freude uͤber den geretteten Liebling.
Er gieng nun auf Maienthal zu und zog mit Fleiß ſeine traͤumenden Gedanken von deſſen erhab¬ nen Stellen ab, um Abends bei der Ankunft) deſto mehr — Schmerz zu genieſſen. Aber nun ſpann ſich ſein Ich in ein neues Gedankengewebe ein: er uͤberdachte jetzt das Vergnuͤgen, ohne alle Kranken¬ naͤchte hell und gerade, nicht liegend ſondern aufge¬
richtet
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nicht mehr, eh' ſie uͤbertrat, ſondern ihr Waſſer
lief wie Thau aus Blumen leicht und ohne Stocken
nieder wie das Blut durch ſeine Bruſt.
Er ſah jetzt St. Luͤne liegen, aber gleichſam ent¬
ruͤckt von ihm in einem Mondſchein. Er gieng nicht
hindurch, ſondern auſſen herum: »werde immer
»breiter und lauter, ſchoͤner Ort, nie umzingle dich
»ein Feind!« Mehr ſagt' er nicht. Denn als er
vor dem Kirchhof voruͤbergieng: dacht er: »haben
»denn nicht dieſe auch alle von dem Orte Abſchied
»genommen; und thu' ichs allein?« — Blos der
Zuruͤckblick nach dem Pfarr-Schieferdach entzuͤndete
noch einen Blitz des Schmerzens durch den Gedan¬
ken an die muͤtterlichen Thraͤnen uͤber ſeinen
Tod; aber er ſagte ſich bald den Troſt, daß das an
Flamin gewoͤhnte Mutterherz der Pfarrerin den Kum¬
mer uͤber das Opfer heilen werde durch die Freude
uͤber den geretteten Liebling.
Er gieng nun auf Maienthal zu und zog mit
Fleiß ſeine traͤumenden Gedanken von deſſen erhab¬
nen Stellen ab, um Abends bei der Ankunft) deſto
mehr — Schmerz zu genieſſen. Aber nun ſpann
ſich ſein Ich in ein neues Gedankengewebe ein: er
uͤberdachte jetzt das Vergnuͤgen, ohne alle Kranken¬
naͤchte hell und gerade, nicht liegend ſondern aufge¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/378>, abgerufen am 18.05.2024.
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