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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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der h. Mutter Gottes opfern wollte, weil sie dachte,
es thu' ihm auch recht weh', da er so bleich aussehe
und so oft seufze. -- -- "Gieb mirs, Liebe, (sagt'
er zu tief bewegt) ich will mein Herz selber
"opfern."

"Ja, wiederholt' er unter dem stillen Himmel
draussen, ich will das Herz da drinnen opfern --
es ist auch von Wachs -- und der Mutter Erde,
will ichs, damit es heile -- heile. . . ."

Lasset ihn immer weinen, meine Freunde, jetzt da
er lächelnd die stille blasse Erde anblickt, hinauf bis zu
ihren Bergen voll Duft. -- Denn Weichheit der
Empfindung verträgt sich gern mit Apathie und Pas¬
sauer Kunst gegen das verletzende Geschick -- lasset
ihn immer weinen, da er diese blumenlose gleichsam
in die Seite des fliegenden Sommers sich einspin¬
nende Erde ansieht und ihm ist als müss' er nieder¬
fallen und die kalte Aue wie eine Mutter küssen und
sagen: blühe früher wieder auf als ich, du hast mir
Freuden und Blumen genug gegeben! -- Das stille
Auseinandergehen der Natur, auf deren Leiche die
vollblühende Zeitlose gleichsam wie ein Todtenkranz
stand, legte durch dieses auflösende Reiben seine
Kräfte sanft auseinander -- er war ermüdet und ge¬
stillt -- die Natur ruhte um ihn, er in ihr -- die
Erschöpfung stoß beinahe in eine süße kützelnde Ohn¬
macht über -- die Thränendrüse schwoll und drückte

der h. Mutter Gottes opfern wollte, weil ſie dachte,
es thu' ihm auch recht weh', da er ſo bleich ausſehe
und ſo oft ſeufze. — — »Gieb mirs, Liebe, (ſagt'
er zu tief bewegt) ich will mein Herz ſelber
»opfern

»Ja, wiederholt' er unter dem ſtillen Himmel
drauſſen, ich will das Herz da drinnen opfern —
es iſt auch von Wachs — und der Mutter Erde,
will ichs, damit es heile — heile. . . .»

Laſſet ihn immer weinen, meine Freunde, jetzt da
er laͤchelnd die ſtille blaſſe Erde anblickt, hinauf bis zu
ihren Bergen voll Duft. — Denn Weichheit der
Empfindung vertraͤgt ſich gern mit Apathie und Paſ¬
ſauer Kunſt gegen das verletzende Geſchick — laſſet
ihn immer weinen, da er dieſe blumenloſe gleichſam
in die Seite des fliegenden Sommers ſich einſpin¬
nende Erde anſieht und ihm iſt als muͤſſ' er nieder¬
fallen und die kalte Aue wie eine Mutter kuͤſſen und
ſagen: bluͤhe fruͤher wieder auf als ich, du haſt mir
Freuden und Blumen genug gegeben! — Das ſtille
Auseinandergehen der Natur, auf deren Leiche die
vollbluͤhende Zeitloſe gleichſam wie ein Todtenkranz
ſtand, legte durch dieſes aufloͤſende Reiben ſeine
Kraͤfte ſanft auseinander — er war ermuͤdet und ge¬
ſtillt — die Natur ruhte um ihn, er in ihr — die
Erſchoͤpfung ſtoß beinahe in eine ſuͤße kuͤtzelnde Ohn¬
macht uͤber — die Thraͤnendruͤſe ſchwoll und druͤckte

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[367/0377] der h. Mutter Gottes opfern wollte, weil ſie dachte, es thu' ihm auch recht weh', da er ſo bleich ausſehe und ſo oft ſeufze. — — »Gieb mirs, Liebe, (ſagt' er zu tief bewegt) ich will mein Herz ſelber »opfern.« »Ja, wiederholt' er unter dem ſtillen Himmel drauſſen, ich will das Herz da drinnen opfern — es iſt auch von Wachs — und der Mutter Erde, will ichs, damit es heile — heile. . . .» Laſſet ihn immer weinen, meine Freunde, jetzt da er laͤchelnd die ſtille blaſſe Erde anblickt, hinauf bis zu ihren Bergen voll Duft. — Denn Weichheit der Empfindung vertraͤgt ſich gern mit Apathie und Paſ¬ ſauer Kunſt gegen das verletzende Geſchick — laſſet ihn immer weinen, da er dieſe blumenloſe gleichſam in die Seite des fliegenden Sommers ſich einſpin¬ nende Erde anſieht und ihm iſt als muͤſſ' er nieder¬ fallen und die kalte Aue wie eine Mutter kuͤſſen und ſagen: bluͤhe fruͤher wieder auf als ich, du haſt mir Freuden und Blumen genug gegeben! — Das ſtille Auseinandergehen der Natur, auf deren Leiche die vollbluͤhende Zeitloſe gleichſam wie ein Todtenkranz ſtand, legte durch dieſes aufloͤſende Reiben ſeine Kraͤfte ſanft auseinander — er war ermuͤdet und ge¬ ſtillt — die Natur ruhte um ihn, er in ihr — die Erſchoͤpfung ſtoß beinahe in eine ſuͤße kuͤtzelnde Ohn¬ macht uͤber — die Thraͤnendruͤſe ſchwoll und druͤckte

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/377>, abgerufen am 18.05.2024.