sichtlich vorreitzen -- er wollte ordentlich etwas von seinem Leben Klotilden bringen, -- daher macht' er einige Tage hinter einander die Proberolle der blutigsten Abschiedsßene bis zur Erschöpfung und zeichnete seinen Schmerz mit Dinte ab und sagte zu sich, wenn ihn darüber Kopfschmerzen und Herz¬ klopfen befielen: "so kann ich doch etwas für sie leiden, wenn sie es auch nicht weiß." --
Hier ist ein solches Trauerblatt.
"O du Engel! Thät' es dir nur nicht zu wehe, "so gieng' ich zu dir und füllete vor deinen Augen "mein Herz so lange mit Thränen an, mit Bildern "der schönern Zeit, mit den bittersten Schmerzen, "bis es zersprengt wäre und sänke -- oder ich erleg¬ "te mich in deiner Gegenwart, ach es wäre süß "wenn ich mein Herz mit Blei zerschlitzte, indem "es an deinem Busen lehnte und wenn ich dann "mein Blut und Leben an deiner Brust abrinnen "liesse. -- Aber o Gott! nein, nein! Sondern, "Gute, lächelnd will ich zu dir gehen, wenn du wieder "kömmst -- lächelnd will ich vor dir weinen, als wär' "es bloß vor Freude über deine Wiederkehr -- nur "die Federnelke mit dem rothen Tropfen werd' ich "von dir bitten, damit mein geschmücktes Herz un¬ "ter der letzten Blume des Lebens verwese. -- Ich wer¬ "de wol so nah vor dir bluten, himmlische Mörde¬ "rinn, wie die Leiche vor der Mörderinn, aber "doch nur innerlich, und jeder Blutstropfen wird
ſichtlich vorreitzen — er wollte ordentlich etwas von ſeinem Leben Klotilden bringen, — daher macht' er einige Tage hinter einander die Proberolle der blutigſten Abſchiedsſzene bis zur Erſchoͤpfung und zeichnete ſeinen Schmerz mit Dinte ab und ſagte zu ſich, wenn ihn daruͤber Kopfſchmerzen und Herz¬ klopfen befielen: »ſo kann ich doch etwas fuͤr ſie leiden, wenn ſie es auch nicht weiß.« —
Hier iſt ein ſolches Trauerblatt.
»O du Engel! Thaͤt' es dir nur nicht zu wehe, »ſo gieng' ich zu dir und fuͤllete vor deinen Augen »mein Herz ſo lange mit Thraͤnen an, mit Bildern »der ſchoͤnern Zeit, mit den bitterſten Schmerzen, »bis es zerſprengt waͤre und ſaͤnke — oder ich erleg¬ »te mich in deiner Gegenwart, ach es waͤre ſuͤß »wenn ich mein Herz mit Blei zerſchlitzte, indem »es an deinem Buſen lehnte und wenn ich dann »mein Blut und Leben an deiner Bruſt abrinnen »lieſſe. — Aber o Gott! nein, nein! Sondern, »Gute, laͤchelnd will ich zu dir gehen, wenn du wieder »koͤmmſt — laͤchelnd will ich vor dir weinen, als waͤr' »es bloß vor Freude uͤber deine Wiederkehr — nur »die Federnelke mit dem rothen Tropfen werd' ich »von dir bitten, damit mein geſchmuͤcktes Herz un¬ »ter der letzten Blume des Lebens verweſe. — Ich wer¬ »de wol ſo nah vor dir bluten, himmliſche Moͤrde¬ »rinn, wie die Leiche vor der Moͤrderinn, aber »doch nur innerlich, und jeder Blutstropfen wird
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ſichtlich vorreitzen — er wollte ordentlich etwas von
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er einige Tage hinter einander die Proberolle der
blutigſten Abſchiedsſzene bis zur Erſchoͤpfung und
zeichnete ſeinen Schmerz mit Dinte ab und ſagte zu
ſich, wenn ihn daruͤber Kopfſchmerzen und Herz¬
klopfen befielen: »ſo kann ich doch etwas fuͤr ſie
leiden, wenn ſie es auch nicht weiß.« —
Hier iſt ein ſolches Trauerblatt.
»O du Engel! Thaͤt' es dir nur nicht zu wehe,
»ſo gieng' ich zu dir und fuͤllete vor deinen Augen
»mein Herz ſo lange mit Thraͤnen an, mit Bildern
»der ſchoͤnern Zeit, mit den bitterſten Schmerzen,
»bis es zerſprengt waͤre und ſaͤnke — oder ich erleg¬
»te mich in deiner Gegenwart, ach es waͤre ſuͤß
»wenn ich mein Herz mit Blei zerſchlitzte, indem
»es an deinem Buſen lehnte und wenn ich dann
»mein Blut und Leben an deiner Bruſt abrinnen
»lieſſe. — Aber o Gott! nein, nein! Sondern,
»Gute, laͤchelnd will ich zu dir gehen, wenn du wieder
»koͤmmſt — laͤchelnd will ich vor dir weinen, als waͤr'
»es bloß vor Freude uͤber deine Wiederkehr — nur
»die Federnelke mit dem rothen Tropfen werd' ich
»von dir bitten, damit mein geſchmuͤcktes Herz un¬
»ter der letzten Blume des Lebens verweſe. — Ich wer¬
»de wol ſo nah vor dir bluten, himmliſche Moͤrde¬
»rinn, wie die Leiche vor der Moͤrderinn, aber
»doch nur innerlich, und jeder Blutstropfen wird
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/371>, abgerufen am 23.11.2024.
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