des Lords -- sein Lechzen nach einer That voll Stärke -- und am meisten die Todeskälte um seine nackt gelassene Brust, die sonst von so vielen warmen Herzen zugedeckt wurde. Man kann Liebe und Freundschaft nur so lange entbehren, als man sie noch nicht genossen hat -- aber sie verlieren und ohne Hoffnung verlieren, das kann man nicht, ohne zu sterben. Seinem Gewissen macht' er den optischen Betrug und coups de theatre vor, daß er es fragte, ob er nicht seinen Freund aus dem Wasser mit Gefahr des Lebens holen, ob er nicht vom Brette, das nur Einen trüge, in die Wellen stürzen dürfe, um den Tod zum Kaufschilling eines andern Lebens zu machen? -- Zwei sonderbare Vor¬ stellungen versüßeten ihm seinen Todes-Entschluß am meisten.
Die erste war, daß er am Todestage (nach der Entdeckung beim Fürsten) hingehen könnte ins Ge¬ fängniß zu Flamin und seine Hand anfassen und sa¬ gen durfte: komm heraus -- heute sterb' ich für dich, damit ich dir beweisen kann, daß Klotil¬ de deine Schwester war und ich dein Freund -- ich lösche das schwarze Wort das erst am Todestage vergeben werden kann, mit meinem unschuldigen Blute aus, und der Tod drückt mich wieder in deinen Arm. -- O ich thu' es gern, damit ich dich nur noch einmal recht lieben und zu dir sagen
des Lords — ſein Lechzen nach einer That voll Staͤrke — und am meiſten die Todeskaͤlte um ſeine nackt gelaſſene Bruſt, die ſonſt von ſo vielen warmen Herzen zugedeckt wurde. Man kann Liebe und Freundſchaft nur ſo lange entbehren, als man ſie noch nicht genoſſen hat — aber ſie verlieren und ohne Hoffnung verlieren, das kann man nicht, ohne zu ſterben. Seinem Gewiſſen macht' er den optiſchen Betrug und coups de théatre vor, daß er es fragte, ob er nicht ſeinen Freund aus dem Waſſer mit Gefahr des Lebens holen, ob er nicht vom Brette, das nur Einen truͤge, in die Wellen ſtuͤrzen duͤrfe, um den Tod zum Kaufſchilling eines andern Lebens zu machen? — Zwei ſonderbare Vor¬ ſtellungen verſuͤßeten ihm ſeinen Todes-Entſchluß am meiſten.
Die erſte war, daß er am Todestage (nach der Entdeckung beim Fuͤrſten) hingehen koͤnnte ins Ge¬ faͤngniß zu Flamin und ſeine Hand anfaſſen und ſa¬ gen durfte: komm heraus — heute ſterb' ich fuͤr dich, damit ich dir beweiſen kann, daß Klotil¬ de deine Schweſter war und ich dein Freund — ich loͤſche das ſchwarze Wort das erſt am Todestage vergeben werden kann, mit meinem unſchuldigen Blute aus, und der Tod druͤckt mich wieder in deinen Arm. — O ich thu' es gern, damit ich dich nur noch einmal recht lieben und zu dir ſagen
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des Lords — ſein Lechzen nach einer That voll Staͤrke
— und am meiſten die Todeskaͤlte um ſeine nackt
gelaſſene Bruſt, die ſonſt von ſo vielen warmen
Herzen zugedeckt wurde. Man kann Liebe und
Freundſchaft nur ſo lange entbehren, als man ſie
noch nicht genoſſen hat — aber ſie verlieren und
ohne Hoffnung verlieren, das kann man nicht,
ohne zu ſterben. Seinem Gewiſſen macht' er den
optiſchen Betrug und coups de théatre vor, daß
er es fragte, ob er nicht ſeinen Freund aus dem
Waſſer mit Gefahr des Lebens holen, ob er nicht
vom Brette, das nur Einen truͤge, in die Wellen
ſtuͤrzen duͤrfe, um den Tod zum Kaufſchilling eines
andern Lebens zu machen? — Zwei ſonderbare Vor¬
ſtellungen verſuͤßeten ihm ſeinen Todes-Entſchluß am
meiſten.
Die erſte war, daß er am Todestage (nach der
Entdeckung beim Fuͤrſten) hingehen koͤnnte ins Ge¬
faͤngniß zu Flamin und ſeine Hand anfaſſen und ſa¬
gen durfte: komm heraus — heute ſterb' ich fuͤr
dich, damit ich dir beweiſen kann, daß Klotil¬
de deine Schweſter war und ich dein Freund —
ich loͤſche das ſchwarze Wort das erſt am Todestage
vergeben werden kann, mit meinem unſchuldigen
Blute aus, und der Tod druͤckt mich wieder in
deinen Arm. — O ich thu' es gern, damit ich
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/369>, abgerufen am 23.11.2024.
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