Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
41. Hundsposttag.

Brief -- zwei neue Inzisionen des Schicksals -- des Lords
Glaubensbekenntniß.


Man schenke einem Menschen, der wie ein Pferd,
in der Nähe der Nacht und der Heimath stärker
läuft, den zehnten Schalttag: am Ende eines Lebens
und eines Buchs macht der Mensch wenig Aus¬
schweifungen.

Ich hab' es schon gesagt, daß nichts das Seelen-
und Rückenmark mehr aus einem Menschen presset,
als wenn ihm sein Unglück kein Handeln vergönnt:
das Schicksal hielt unsern Viktor noch fest mit der
einen Hand, um ihn wund zu schlagen mit der an¬
dern, als in diesen Trauerwochen das Schöpfrad der
Zeit zwei neue Thränenkrüge im Herzen der Men¬
schen einschöpfte und in die Ewigkeit hinausgoß.
Erstlich kam die trübe Nachricht wie Trauergeläute
an Viktors Ohr, daß sein ehemaliger Jugendfreund
Flamin einen Schritt, zu dem es ohne das Ueber¬
werfen mit ihm nie gekommen wäre, wol mit dem
Tode büßen werde. Einige Tage nach den Kaniku¬
larferien -- gerade als vor einem Jahre der arme

41. Hundspoſttag.

Brief — zwei neue Inziſionen des Schickſals — des Lords
Glaubensbekenntniß.


Man ſchenke einem Menſchen, der wie ein Pferd,
in der Naͤhe der Nacht und der Heimath ſtaͤrker
laͤuft, den zehnten Schalttag: am Ende eines Lebens
und eines Buchs macht der Menſch wenig Aus¬
ſchweifungen.

Ich hab' es ſchon geſagt, daß nichts das Seelen-
und Ruͤckenmark mehr aus einem Menſchen preſſet,
als wenn ihm ſein Ungluͤck kein Handeln vergoͤnnt:
das Schickſal hielt unſern Viktor noch feſt mit der
einen Hand, um ihn wund zu ſchlagen mit der an¬
dern, als in dieſen Trauerwochen das Schoͤpfrad der
Zeit zwei neue Thraͤnenkruͤge im Herzen der Men¬
ſchen einſchoͤpfte und in die Ewigkeit hinausgoß.
Erſtlich kam die truͤbe Nachricht wie Trauergelaͤute
an Viktors Ohr, daß ſein ehemaliger Jugendfreund
Flamin einen Schritt, zu dem es ohne das Ueber¬
werfen mit ihm nie gekommen waͤre, wol mit dem
Tode buͤßen werde. Einige Tage nach den Kaniku¬
larferien — gerade als vor einem Jahre der arme

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0352" n="342"/>
          </div>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">41. Hundspo&#x017F;ttag.</hi><lb/>
          </head>
          <argument>
            <p rendition="#c">Brief &#x2014; zwei neue Inzi&#x017F;ionen des Schick&#x017F;als &#x2014; des Lords<lb/>
Glaubensbekenntniß.</p>
          </argument><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">M</hi>an &#x017F;chenke einem Men&#x017F;chen, der wie ein Pferd,<lb/>
in der Na&#x0364;he der Nacht und der Heimath &#x017F;ta&#x0364;rker<lb/>
la&#x0364;uft, den zehnten Schalttag: am Ende eines Lebens<lb/>
und eines Buchs macht der Men&#x017F;ch wenig Aus¬<lb/>
&#x017F;chweifungen.</p><lb/>
          <p>Ich hab' es &#x017F;chon ge&#x017F;agt, daß nichts das Seelen-<lb/>
und Ru&#x0364;ckenmark mehr aus einem Men&#x017F;chen pre&#x017F;&#x017F;et,<lb/>
als wenn ihm &#x017F;ein Unglu&#x0364;ck kein Handeln vergo&#x0364;nnt:<lb/>
das Schick&#x017F;al hielt un&#x017F;ern Viktor noch fe&#x017F;t mit der<lb/>
einen Hand, um ihn wund zu &#x017F;chlagen mit der an¬<lb/>
dern, als in die&#x017F;en Trauerwochen das Scho&#x0364;pfrad der<lb/>
Zeit <hi rendition="#g">zwei</hi> neue Thra&#x0364;nenkru&#x0364;ge im Herzen der Men¬<lb/>
&#x017F;chen ein&#x017F;cho&#x0364;pfte und in die Ewigkeit hinausgoß.<lb/>
Er&#x017F;tlich kam die tru&#x0364;be Nachricht wie Trauergela&#x0364;ute<lb/>
an Viktors Ohr, daß &#x017F;ein ehemaliger Jugendfreund<lb/>
Flamin einen Schritt, zu dem es ohne das Ueber¬<lb/>
werfen mit ihm nie gekommen wa&#x0364;re, wol mit dem<lb/>
Tode bu&#x0364;ßen werde. Einige Tage nach den Kaniku¬<lb/>
larferien &#x2014; gerade als vor einem Jahre der arme<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0352] 41. Hundspoſttag. Brief — zwei neue Inziſionen des Schickſals — des Lords Glaubensbekenntniß. Man ſchenke einem Menſchen, der wie ein Pferd, in der Naͤhe der Nacht und der Heimath ſtaͤrker laͤuft, den zehnten Schalttag: am Ende eines Lebens und eines Buchs macht der Menſch wenig Aus¬ ſchweifungen. Ich hab' es ſchon geſagt, daß nichts das Seelen- und Ruͤckenmark mehr aus einem Menſchen preſſet, als wenn ihm ſein Ungluͤck kein Handeln vergoͤnnt: das Schickſal hielt unſern Viktor noch feſt mit der einen Hand, um ihn wund zu ſchlagen mit der an¬ dern, als in dieſen Trauerwochen das Schoͤpfrad der Zeit zwei neue Thraͤnenkruͤge im Herzen der Men¬ ſchen einſchoͤpfte und in die Ewigkeit hinausgoß. Erſtlich kam die truͤbe Nachricht wie Trauergelaͤute an Viktors Ohr, daß ſein ehemaliger Jugendfreund Flamin einen Schritt, zu dem es ohne das Ueber¬ werfen mit ihm nie gekommen waͤre, wol mit dem Tode buͤßen werde. Einige Tage nach den Kaniku¬ larferien — gerade als vor einem Jahre der arme

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/352
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/352>, abgerufen am 03.12.2024.