"Morgen, in Morgen, über die Straße nach dem "Vaterland, nach Morgenland, da schimmert "der Triumphbogen, da öfnet sich die Ehrenpforte "-- da ziehen die Sterbenden hindurch" ...
Und da es jetzt zwölf Uhr schlug: so breitete er seine Hände verzückt gegen den Himmel, der blau war über dem Berge, und gegen den Mond, der hei¬ ter neben dem Gewitter ruhte, und rief brechend mit seeligen Thränen: "Habe Dank, Ewiger, für "mein erstes Leben, für alle meine Freuden, für "diese schöne Erde." --
Um Maienthal zogen Julius Flötentöne und er sah auf die Erde nieder.
"Und bleibe du gesegnet, du gute Erde, du gu¬ "tes Mutterland, blühet ihr Gefilde Hindostans, "lebe wohl, du schimmerndes Maienthal mit deinen "Blumen und mit deinen Menschen -- und ihr Brü¬ "der alle kommt mir nach einem langen Lächeln see¬ "lig nach -- -- Jetzt, o Ewiger, nimm mich hinauf "und tröste die zwei Bleibenden."
Die Todesengel standen auf allen Wolken und zogen ihre blitzenden Schwerter aus den Nächten -- ein Donner schlug hinter dem andern wie wenn auf¬ geworfen würde eine Gefängnißthür des Erdenlebens nach der andern.
Der schreckliche Lichtpunkt hatte sich verkrochen aus der Mitte der Luft in den Pulverthurm.
S 2
»Morgen, in Morgen, uͤber die Straße nach dem »Vaterland, nach Morgenland, da ſchimmert »der Triumphbogen, da oͤfnet ſich die Ehrenpforte »— da ziehen die Sterbenden hindurch« ...
Und da es jetzt zwoͤlf Uhr ſchlug: ſo breitete er ſeine Haͤnde verzuͤckt gegen den Himmel, der blau war uͤber dem Berge, und gegen den Mond, der hei¬ ter neben dem Gewitter ruhte, und rief brechend mit ſeeligen Thraͤnen: »Habe Dank, Ewiger, fuͤr »mein erſtes Leben, fuͤr alle meine Freuden, fuͤr »dieſe ſchoͤne Erde.« —
Um Maienthal zogen Julius Floͤtentoͤne und er ſah auf die Erde nieder.
»Und bleibe du geſegnet, du gute Erde, du gu¬ »tes Mutterland, bluͤhet ihr Gefilde Hindoſtans, »lebe wohl, du ſchimmerndes Maienthal mit deinen »Blumen und mit deinen Menſchen — und ihr Bruͤ¬ »der alle kommt mir nach einem langen Laͤcheln ſee¬ »lig nach — — Jetzt, o Ewiger, nimm mich hinauf »und troͤſte die zwei Bleibenden.«
Die Todesengel ſtanden auf allen Wolken und zogen ihre blitzenden Schwerter aus den Naͤchten — ein Donner ſchlug hinter dem andern wie wenn auf¬ geworfen wuͤrde eine Gefaͤngnißthuͤr des Erdenlebens nach der andern.
Der ſchreckliche Lichtpunkt hatte ſich verkrochen aus der Mitte der Luft in den Pulverthurm.
S 2
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»Morgen, in Morgen, uͤber die Straße nach dem
»Vaterland, nach Morgenland, da ſchimmert
»der Triumphbogen, da oͤfnet ſich die Ehrenpforte
»— da ziehen die Sterbenden hindurch« ...
Und da es jetzt zwoͤlf Uhr ſchlug: ſo breitete er
ſeine Haͤnde verzuͤckt gegen den Himmel, der blau
war uͤber dem Berge, und gegen den Mond, der hei¬
ter neben dem Gewitter ruhte, und rief brechend
mit ſeeligen Thraͤnen: »Habe Dank, Ewiger, fuͤr
»mein erſtes Leben, fuͤr alle meine Freuden, fuͤr
»dieſe ſchoͤne Erde.« —
Um Maienthal zogen Julius Floͤtentoͤne und er
ſah auf die Erde nieder.
»Und bleibe du geſegnet, du gute Erde, du gu¬
»tes Mutterland, bluͤhet ihr Gefilde Hindoſtans,
»lebe wohl, du ſchimmerndes Maienthal mit deinen
»Blumen und mit deinen Menſchen — und ihr Bruͤ¬
»der alle kommt mir nach einem langen Laͤcheln ſee¬
»lig nach — — Jetzt, o Ewiger, nimm mich hinauf
»und troͤſte die zwei Bleibenden.«
Die Todesengel ſtanden auf allen Wolken und
zogen ihre blitzenden Schwerter aus den Naͤchten —
ein Donner ſchlug hinter dem andern wie wenn auf¬
geworfen wuͤrde eine Gefaͤngnißthuͤr des Erdenlebens
nach der andern.
Der ſchreckliche Lichtpunkt hatte ſich verkrochen
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/285>, abgerufen am 22.11.2024.
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