Einrichtung, daß aus großen Seelen, denen wie langen Staturen das Bücken sauer fällt, zum Glück (aber zu ihrer Strafe) nichts wird, anstatt, daß mittelmäßig, die sich nichts daraus machen, gedei¬ hen und eine schöne Krone treiben: so sah ich oft beim Brodbacken, daß jeder mäßige Laib im Back¬ ofen sich schön erhob und wölbte, der große aber blieb platt und miserabel sitzen. -- Wir wären aber bedauernswürdig, wenn eine Tugend, die den Werth des bürgerlichen Menschen ausmacht, diese Tugend, nicht blos wie Kinder zu werden, sondern wie Fö¬ tus, die sich im Mutterleibe zusammenstülpen, wenn diese nur an den höchsten Orte gediehe, wie man fast denken sollte, da der Hofmann nach dem Falle auf seinem Landgute schon wieder aufrecht geht -- anstatt daß die Schlange vor dem Falle und unter dem Verführen nicht kroch. -- Allein in allen bür¬ gerlichen Verhältnißen sind Erziehungsanstalten zu Krümlingen vorhanden; die Luft hängt voll vom geistlichen und weltlichen Arme und von andern Hän¬ den, die uns ordentlich einkrempen und noch höher sind die allerlängsten angebracht, die über ganze Völker reichen. Der Gelehrte selber bückt sich am Schreibepult unter der Geburt der Dedikazionen und Dedukzionen und Urthel. Durch das bloße graue Alter reift sowohl der Körper zum verknöcherten Bücklinge als die Seele. Und die niedrige Geist¬
Einrichtung, daß aus großen Seelen, denen wie langen Staturen das Buͤcken ſauer faͤllt, zum Gluͤck (aber zu ihrer Strafe) nichts wird, anſtatt, daß mittelmaͤßig, die ſich nichts daraus machen, gedei¬ hen und eine ſchoͤne Krone treiben: ſo ſah ich oft beim Brodbacken, daß jeder maͤßige Laib im Back¬ ofen ſich ſchoͤn erhob und woͤlbte, der große aber blieb platt und miſerabel ſitzen. — Wir waͤren aber bedauernswuͤrdig, wenn eine Tugend, die den Werth des buͤrgerlichen Menſchen ausmacht, dieſe Tugend, nicht blos wie Kinder zu werden, ſondern wie Foͤ¬ tus, die ſich im Mutterleibe zuſammenſtuͤlpen, wenn dieſe nur an den hoͤchſten Orte gediehe, wie man faſt denken ſollte, da der Hofmann nach dem Falle auf ſeinem Landgute ſchon wieder aufrecht geht — anſtatt daß die Schlange vor dem Falle und unter dem Verfuͤhren nicht kroch. — Allein in allen buͤr¬ gerlichen Verhaͤltnißen ſind Erziehungsanſtalten zu Kruͤmlingen vorhanden; die Luft haͤngt voll vom geiſtlichen und weltlichen Arme und von andern Haͤn¬ den, die uns ordentlich einkrempen und noch hoͤher ſind die allerlaͤngſten angebracht, die uͤber ganze Voͤlker reichen. Der Gelehrte ſelber buͤckt ſich am Schreibepult unter der Geburt der Dedikazionen und Dedukzionen und Urthel. Durch das bloße graue Alter reift ſowohl der Koͤrper zum verknoͤcherten Buͤcklinge als die Seele. Und die niedrige Geiſt¬
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Einrichtung, daß aus großen Seelen, denen wie
langen Staturen das Buͤcken ſauer faͤllt, zum Gluͤck
(aber zu ihrer Strafe) nichts wird, anſtatt, daß
mittelmaͤßig, die ſich nichts daraus machen, gedei¬
hen und eine ſchoͤne Krone treiben: ſo ſah ich oft
beim Brodbacken, daß jeder maͤßige Laib im Back¬
ofen ſich ſchoͤn erhob und woͤlbte, der große aber
blieb platt und miſerabel ſitzen. — Wir waͤren aber
bedauernswuͤrdig, wenn eine Tugend, die den Werth
des buͤrgerlichen Menſchen ausmacht, dieſe Tugend,
nicht blos wie Kinder zu werden, ſondern wie Foͤ¬
tus, die ſich im Mutterleibe zuſammenſtuͤlpen, wenn
dieſe nur an den hoͤchſten Orte gediehe, wie man
faſt denken ſollte, da der Hofmann nach dem Falle
auf ſeinem Landgute ſchon wieder aufrecht geht —
anſtatt daß die Schlange vor dem Falle und unter
dem Verfuͤhren nicht kroch. — Allein in allen buͤr¬
gerlichen Verhaͤltnißen ſind Erziehungsanſtalten zu
Kruͤmlingen vorhanden; die Luft haͤngt voll vom
geiſtlichen und weltlichen Arme und von andern Haͤn¬
den, die uns ordentlich einkrempen und noch hoͤher
ſind die allerlaͤngſten angebracht, die uͤber ganze
Voͤlker reichen. Der Gelehrte ſelber buͤckt ſich am
Schreibepult unter der Geburt der Dedikazionen und
Dedukzionen und Urthel. Durch das bloße graue
Alter reift ſowohl der Koͤrper zum verknoͤcherten
Buͤcklinge als die Seele. Und die niedrige Geiſt¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/262>, abgerufen am 25.11.2024.
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