Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

des Teufels werden möchte. Aber gut ist's, daß
eine solche Tugend der Krümmung ihre eigne Exer¬
zierplätze hat und nicht vom Zufall abhängt. Am
Hofe würde ein Mensch mit geradem Leibe und
Geiste als höfisch-tod ausgeschossen werden wie ein
Krebs mit einem geraden Schwanze, den nur
krepirte Krebse führen. Wenn sonst die Einsiedler
niedrige Zellen erwählten, um nicht aufrecht zu ste¬
hen: so braucht der Weltmann das nicht; ihn drü¬
cken die hohen Speisesäle, die Lusttempel, die Tanz¬
sallons desto tiefer nieder, je höher sie sind. -- Es
wäre schlimm, wenn diese so wichtige Tugend der
Niederbückung erst eine besondere geistige oder kör¬
perliche Stärke, die sich ja niemand geben kann,
voraussetzte; aber gerade umgekehrt will sie nur
Schwäche haben, welches bei Pferden nicht so ist,
die den Schwanz nicht mehr niederbringen, wenn
dessen Sehnen abgeschnitten sind. Wenn die Phari¬
säer Blei in den Mützen führten, um sich das Bü¬
cken zu erleichtern*): so thut das Blei, das man
auf die Welt bringt und das im Kopfe liegt, viel¬
leicht noch größere Dienste. Daher ist's eine schöne

*) Die Pharisäer thaten es -- wie gewisse Juden, die auch
immer gekrümt einherzogen und darum Krümlinge hies¬
sen -- um Gott, der die ganze Erde ausfüllt, ein wenig
Platz zu machen. Altes und neues Judenthum. 2 B.
S. 47.

des Teufels werden moͤchte. Aber gut iſt's, daß
eine ſolche Tugend der Kruͤmmung ihre eigne Exer¬
zierplaͤtze hat und nicht vom Zufall abhaͤngt. Am
Hofe wuͤrde ein Menſch mit geradem Leibe und
Geiſte als hoͤfiſch-tod ausgeſchoſſen werden wie ein
Krebs mit einem geraden Schwanze, den nur
krepirte Krebſe fuͤhren. Wenn ſonſt die Einſiedler
niedrige Zellen erwaͤhlten, um nicht aufrecht zu ſte¬
hen: ſo braucht der Weltmann das nicht; ihn druͤ¬
cken die hohen Speiſeſaͤle, die Luſttempel, die Tanz¬
ſallons deſto tiefer nieder, je hoͤher ſie ſind. — Es
waͤre ſchlimm, wenn dieſe ſo wichtige Tugend der
Niederbuͤckung erſt eine beſondere geiſtige oder koͤr¬
perliche Staͤrke, die ſich ja niemand geben kann,
vorausſetzte; aber gerade umgekehrt will ſie nur
Schwaͤche haben, welches bei Pferden nicht ſo iſt,
die den Schwanz nicht mehr niederbringen, wenn
deſſen Sehnen abgeſchnitten ſind. Wenn die Phari¬
ſaͤer Blei in den Muͤtzen fuͤhrten, um ſich das Buͤ¬
cken zu erleichtern*): ſo thut das Blei, das man
auf die Welt bringt und das im Kopfe liegt, viel¬
leicht noch groͤßere Dienſte. Daher iſt's eine ſchoͤne

*) Die Phariſäer thaten es — wie gewiſſe Juden, die auch
immer gekrümt einherzogen und darum Krümlinge hieſ¬
ſen — um Gott, der die ganze Erde ausfüllt, ein wenig
Platz zu machen. Altes und neues Judenthum. 2 B.
S. 47.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0261" n="251"/>
des Teufels werden mo&#x0364;chte. Aber gut i&#x017F;t's, daß<lb/>
eine &#x017F;olche Tugend der Kru&#x0364;mmung ihre eigne Exer¬<lb/>
zierpla&#x0364;tze hat und nicht vom Zufall abha&#x0364;ngt. Am<lb/>
Hofe wu&#x0364;rde ein Men&#x017F;ch mit <hi rendition="#g">geradem</hi> Leibe und<lb/>
Gei&#x017F;te als ho&#x0364;fi&#x017F;ch-tod ausge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en werden wie ein<lb/>
Krebs mit einem <hi rendition="#g">geraden</hi> Schwanze, den nur<lb/>
krepirte Kreb&#x017F;e fu&#x0364;hren. Wenn &#x017F;on&#x017F;t die Ein&#x017F;iedler<lb/>
niedrige Zellen erwa&#x0364;hlten, um nicht aufrecht zu &#x017F;te¬<lb/>
hen: &#x017F;o braucht der Weltmann das nicht; ihn dru&#x0364;¬<lb/>
cken die hohen Spei&#x017F;e&#x017F;a&#x0364;le, die Lu&#x017F;ttempel, die Tanz¬<lb/>
&#x017F;allons de&#x017F;to tiefer nieder, je ho&#x0364;her &#x017F;ie &#x017F;ind. &#x2014; Es<lb/>
wa&#x0364;re &#x017F;chlimm, wenn die&#x017F;e &#x017F;o wichtige Tugend der<lb/>
Niederbu&#x0364;ckung er&#x017F;t eine be&#x017F;ondere gei&#x017F;tige oder ko&#x0364;<lb/>
perliche Sta&#x0364;rke, die &#x017F;ich ja niemand geben kann,<lb/>
voraus&#x017F;etzte; aber gerade umgekehrt will &#x017F;ie nur<lb/>
Schwa&#x0364;che haben, welches bei Pferden nicht &#x017F;o i&#x017F;t,<lb/>
die den Schwanz nicht mehr niederbringen, wenn<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Sehnen abge&#x017F;chnitten &#x017F;ind. Wenn die Phari¬<lb/>
&#x017F;a&#x0364;er Blei in den Mu&#x0364;tzen fu&#x0364;hrten, um &#x017F;ich das Bu&#x0364;¬<lb/>
cken zu erleichtern<note place="foot" n="*)">Die Phari&#x017F;äer thaten es &#x2014; wie gewi&#x017F;&#x017F;e Juden, die auch<lb/>
immer gekrümt einherzogen und darum <hi rendition="#g">Krümlinge</hi> hie&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en &#x2014; um Gott, der die ganze Erde ausfüllt, ein wenig<lb/>
Platz zu machen. Altes und neues Judenthum. 2 B.<lb/>
S. 47.</note>: &#x017F;o thut das Blei, das man<lb/>
auf die Welt bringt und das im Kopfe liegt, viel¬<lb/>
leicht noch gro&#x0364;ßere Dien&#x017F;te. Daher i&#x017F;t's eine &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0261] des Teufels werden moͤchte. Aber gut iſt's, daß eine ſolche Tugend der Kruͤmmung ihre eigne Exer¬ zierplaͤtze hat und nicht vom Zufall abhaͤngt. Am Hofe wuͤrde ein Menſch mit geradem Leibe und Geiſte als hoͤfiſch-tod ausgeſchoſſen werden wie ein Krebs mit einem geraden Schwanze, den nur krepirte Krebſe fuͤhren. Wenn ſonſt die Einſiedler niedrige Zellen erwaͤhlten, um nicht aufrecht zu ſte¬ hen: ſo braucht der Weltmann das nicht; ihn druͤ¬ cken die hohen Speiſeſaͤle, die Luſttempel, die Tanz¬ ſallons deſto tiefer nieder, je hoͤher ſie ſind. — Es waͤre ſchlimm, wenn dieſe ſo wichtige Tugend der Niederbuͤckung erſt eine beſondere geiſtige oder koͤr¬ perliche Staͤrke, die ſich ja niemand geben kann, vorausſetzte; aber gerade umgekehrt will ſie nur Schwaͤche haben, welches bei Pferden nicht ſo iſt, die den Schwanz nicht mehr niederbringen, wenn deſſen Sehnen abgeſchnitten ſind. Wenn die Phari¬ ſaͤer Blei in den Muͤtzen fuͤhrten, um ſich das Buͤ¬ cken zu erleichtern *): ſo thut das Blei, das man auf die Welt bringt und das im Kopfe liegt, viel¬ leicht noch groͤßere Dienſte. Daher iſt's eine ſchoͤne *) Die Phariſäer thaten es — wie gewiſſe Juden, die auch immer gekrümt einherzogen und darum Krümlinge hieſ¬ ſen — um Gott, der die ganze Erde ausfüllt, ein wenig Platz zu machen. Altes und neues Judenthum. 2 B. S. 47.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/261
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/261>, abgerufen am 15.08.2024.