Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

"schönen Wangen und in deiner Erbengestalt -- ich
"segne dich und sage dir Lebewol, aber schwer und
"trübe, weil ich noch so viele Tage leben soll ohne
"dich. Ziehe sanft umweht durch's Leben, halte
"dein Herz hoch über den bunten Dunst der Erde
"und über ihre Wetterwolken -- du hörst mich ja
"nicht, du bitter-weinendes Angesicht, Gott gieße
"Trost in deine Seele, scheide froher! -- dein
"Freund ist bei mir, wann ich von hinnen gehe." --
-- Hier faßte Viktor die Hände der wankenden ver¬
weinten Gestalt, die sich vergeblich die Thränen ab¬
streifte, um den Lehrer noch einmal zu sehen und in
die Seele zu drücken; und als Viktor ohne Besin¬
nung aber emporgehoben rief: "Giulia! Seelige! mil¬
"dere das Weh deiner Freundin in dieser Stunde,
"halte dieses brechende Herz" so sagte Emanuel un¬
beschreiblich zärtlich beide anblickend: "Ich segne
"euch ein wie ein Vater, heiliges Seelen-Paar!
"Nie verlasset, nie vergesset einander! -- O ihr see¬
"ligen Geister hier über dem glimmenden Moder der
"zerstückten Särge, gebet diesen zwei Herzen Frieden
"und Glück und wenn ich einmal gestorben bin,
"will ich um eure Seelen schweben und sie beruhi¬
"gen -- Und du, Ewiger unter deinen Sternen,
"mache diese zwei Menschen so glücklich wie mich
"-- o nimm ihnen nichts, nichts auf der Erde als
"das Leben -- Gute Nacht, Klotilde!" . . . .

»ſchoͤnen Wangen und in deiner Erbengeſtalt — ich
»ſegne dich und ſage dir Lebewol, aber ſchwer und
»truͤbe, weil ich noch ſo viele Tage leben ſoll ohne
»dich. Ziehe ſanft umweht durch's Leben, halte
»dein Herz hoch uͤber den bunten Dunſt der Erde
»und uͤber ihre Wetterwolken — du hoͤrſt mich ja
»nicht, du bitter-weinendes Angeſicht, Gott gieße
»Troſt in deine Seele, ſcheide froher! — dein
»Freund iſt bei mir, wann ich von hinnen gehe.« —
— Hier faßte Viktor die Haͤnde der wankenden ver¬
weinten Geſtalt, die ſich vergeblich die Thraͤnen ab¬
ſtreifte, um den Lehrer noch einmal zu ſehen und in
die Seele zu druͤcken; und als Viktor ohne Beſin¬
nung aber emporgehoben rief: »Giulia! Seelige! mil¬
»dere das Weh deiner Freundin in dieſer Stunde,
»halte dieſes brechende Herz« ſo ſagte Emanuel un¬
beſchreiblich zaͤrtlich beide anblickend: »Ich ſegne
»euch ein wie ein Vater, heiliges Seelen-Paar!
»Nie verlaſſet, nie vergeſſet einander! — O ihr ſee¬
»ligen Geiſter hier uͤber dem glimmenden Moder der
»zerſtuͤckten Saͤrge, gebet dieſen zwei Herzen Frieden
»und Gluͤck und wenn ich einmal geſtorben bin,
»will ich um eure Seelen ſchweben und ſie beruhi¬
»gen — Und du, Ewiger unter deinen Sternen,
»mache dieſe zwei Menſchen ſo gluͤcklich wie mich
»— o nimm ihnen nichts, nichts auf der Erde als
»das Leben — Gute Nacht, Klotilde!« . . . .

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0232" n="222"/>
»&#x017F;cho&#x0364;nen Wangen und in deiner Erbenge&#x017F;talt &#x2014; ich<lb/>
»&#x017F;egne dich und &#x017F;age dir Lebewol, aber &#x017F;chwer und<lb/>
»tru&#x0364;be, weil ich noch &#x017F;o viele Tage leben &#x017F;oll ohne<lb/>
»dich. Ziehe &#x017F;anft umweht durch's Leben, halte<lb/>
»dein Herz hoch u&#x0364;ber den bunten Dun&#x017F;t der Erde<lb/>
»und u&#x0364;ber ihre Wetterwolken &#x2014; du ho&#x0364;r&#x017F;t mich ja<lb/>
»nicht, du bitter-weinendes Ange&#x017F;icht, Gott gieße<lb/>
»Tro&#x017F;t in deine Seele, &#x017F;cheide froher! &#x2014; dein<lb/>
»Freund i&#x017F;t bei mir, wann ich von hinnen gehe.« &#x2014;<lb/>
&#x2014; Hier faßte Viktor die Ha&#x0364;nde der wankenden ver¬<lb/>
weinten Ge&#x017F;talt, die &#x017F;ich vergeblich die Thra&#x0364;nen ab¬<lb/>
&#x017F;treifte, um den Lehrer noch einmal zu &#x017F;ehen und in<lb/>
die Seele zu dru&#x0364;cken; und als Viktor ohne Be&#x017F;in¬<lb/>
nung aber emporgehoben rief: »Giulia! Seelige! mil¬<lb/>
»dere das Weh deiner Freundin in die&#x017F;er Stunde,<lb/>
»halte die&#x017F;es brechende Herz« &#x017F;o &#x017F;agte Emanuel un¬<lb/>
be&#x017F;chreiblich za&#x0364;rtlich beide anblickend: »Ich &#x017F;egne<lb/>
»euch ein wie ein Vater, heiliges Seelen-Paar!<lb/>
»Nie verla&#x017F;&#x017F;et, nie verge&#x017F;&#x017F;et einander! &#x2014; O ihr &#x017F;ee¬<lb/>
»ligen Gei&#x017F;ter hier u&#x0364;ber dem glimmenden Moder der<lb/>
»zer&#x017F;tu&#x0364;ckten Sa&#x0364;rge, gebet die&#x017F;en zwei Herzen Frieden<lb/>
»und Glu&#x0364;ck und wenn ich einmal ge&#x017F;torben bin,<lb/>
»will ich um eure Seelen &#x017F;chweben und &#x017F;ie beruhi¬<lb/>
»gen &#x2014; Und du, Ewiger unter deinen Sternen,<lb/>
»mache die&#x017F;e zwei Men&#x017F;chen &#x017F;o glu&#x0364;cklich wie mich<lb/>
»&#x2014; o nimm ihnen nichts, nichts auf der Erde als<lb/>
»das Leben &#x2014; Gute Nacht, Klotilde!« . . . .</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0232] »ſchoͤnen Wangen und in deiner Erbengeſtalt — ich »ſegne dich und ſage dir Lebewol, aber ſchwer und »truͤbe, weil ich noch ſo viele Tage leben ſoll ohne »dich. Ziehe ſanft umweht durch's Leben, halte »dein Herz hoch uͤber den bunten Dunſt der Erde »und uͤber ihre Wetterwolken — du hoͤrſt mich ja »nicht, du bitter-weinendes Angeſicht, Gott gieße »Troſt in deine Seele, ſcheide froher! — dein »Freund iſt bei mir, wann ich von hinnen gehe.« — — Hier faßte Viktor die Haͤnde der wankenden ver¬ weinten Geſtalt, die ſich vergeblich die Thraͤnen ab¬ ſtreifte, um den Lehrer noch einmal zu ſehen und in die Seele zu druͤcken; und als Viktor ohne Beſin¬ nung aber emporgehoben rief: »Giulia! Seelige! mil¬ »dere das Weh deiner Freundin in dieſer Stunde, »halte dieſes brechende Herz« ſo ſagte Emanuel un¬ beſchreiblich zaͤrtlich beide anblickend: »Ich ſegne »euch ein wie ein Vater, heiliges Seelen-Paar! »Nie verlaſſet, nie vergeſſet einander! — O ihr ſee¬ »ligen Geiſter hier uͤber dem glimmenden Moder der »zerſtuͤckten Saͤrge, gebet dieſen zwei Herzen Frieden »und Gluͤck und wenn ich einmal geſtorben bin, »will ich um eure Seelen ſchweben und ſie beruhi¬ »gen — Und du, Ewiger unter deinen Sternen, »mache dieſe zwei Menſchen ſo gluͤcklich wie mich »— o nimm ihnen nichts, nichts auf der Erde als »das Leben — Gute Nacht, Klotilde!« . . . .

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/232
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/232>, abgerufen am 21.11.2024.