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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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die Freundin aufzusuchen. . . . Er sagte nichts, aber
er sah beide mit einer namenlosen Wonne an, um
zu finden, ob sie sich recht freueten und gleichsam
um zu fragen: "seid ihr denn jetzt nicht recht glück¬
lich, ihr Guten, liebt ihr euch denn nicht unaus¬
sprechlich?" -- -- O, zum Mitleiden gehört nur
ein Mensch, aber zur Mitfreude ein Engel; es giebt
nichts schöneres als den glänzenden Christuskopf, auf
dem das Weglegen der erhabnen Mosisdecke den stil¬
len frohen Antheil an fremden unbescholltenen Freu¬
den, an fremder reiner Liebe zeigt; und es ist eben so
göttlich (oder noch göttlicher) einer fremden Liebe
mit einem stumm-glückwünschenden Herzen zuzu¬
schauen als sie selber zu haben. ... Emanuel, dein
größeres Lob wird in verwandten Seelen aufbehal¬
ten, aber auf keinem Papier! --

Auf dem Kreuzwege der Allee theilte sich der
schöne Bund auseinander und der linke Zweig der¬
selben führte Klotilde neben der Nachtigal vorbei
in die Wohnung der sanften Herzen zurück. Viktor
kam, von der vergrößerten Liebe für drei Menschen
zugleich aufgelöset, in den dunkeln nur von unterge¬
henden Sternen erleuchteten Zimmern Emanuels an
und fand da einen gedeckten Tisch, den die feine
Aebtissin dem Gaste oder dem Wirthe gesendet hatte,
(weil Emanuel Abends nur Obst genoß.) Man will

die Freundin aufzuſuchen. . . . Er ſagte nichts, aber
er ſah beide mit einer namenloſen Wonne an, um
zu finden, ob ſie ſich recht freueten und gleichſam
um zu fragen: »ſeid ihr denn jetzt nicht recht gluͤck¬
lich, ihr Guten, liebt ihr euch denn nicht unaus¬
ſprechlich?« — — O, zum Mitleiden gehoͤrt nur
ein Menſch, aber zur Mitfreude ein Engel; es giebt
nichts ſchoͤneres als den glaͤnzenden Chriſtuskopf, auf
dem das Weglegen der erhabnen Moſisdecke den ſtil¬
len frohen Antheil an fremden unbeſcholltenen Freu¬
den, an fremder reiner Liebe zeigt; und es iſt eben ſo
goͤttlich (oder noch goͤttlicher) einer fremden Liebe
mit einem ſtumm-gluͤckwuͤnſchenden Herzen zuzu¬
ſchauen als ſie ſelber zu haben. ... Emanuel, dein
groͤßeres Lob wird in verwandten Seelen aufbehal¬
ten, aber auf keinem Papier! —

Auf dem Kreuzwege der Allee theilte ſich der
ſchoͤne Bund auseinander und der linke Zweig der¬
ſelben fuͤhrte Klotilde neben der Nachtigal vorbei
in die Wohnung der ſanften Herzen zuruͤck. Viktor
kam, von der vergroͤßerten Liebe fuͤr drei Menſchen
zugleich aufgeloͤſet, in den dunkeln nur von unterge¬
henden Sternen erleuchteten Zimmern Emanuels an
und fand da einen gedeckten Tiſch, den die feine
Aebtiſſin dem Gaſte oder dem Wirthe geſendet hatte,
(weil Emanuel Abends nur Obſt genoß.) Man will

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[141/0151] die Freundin aufzuſuchen. . . . Er ſagte nichts, aber er ſah beide mit einer namenloſen Wonne an, um zu finden, ob ſie ſich recht freueten und gleichſam um zu fragen: »ſeid ihr denn jetzt nicht recht gluͤck¬ lich, ihr Guten, liebt ihr euch denn nicht unaus¬ ſprechlich?« — — O, zum Mitleiden gehoͤrt nur ein Menſch, aber zur Mitfreude ein Engel; es giebt nichts ſchoͤneres als den glaͤnzenden Chriſtuskopf, auf dem das Weglegen der erhabnen Moſisdecke den ſtil¬ len frohen Antheil an fremden unbeſcholltenen Freu¬ den, an fremder reiner Liebe zeigt; und es iſt eben ſo goͤttlich (oder noch goͤttlicher) einer fremden Liebe mit einem ſtumm-gluͤckwuͤnſchenden Herzen zuzu¬ ſchauen als ſie ſelber zu haben. ... Emanuel, dein groͤßeres Lob wird in verwandten Seelen aufbehal¬ ten, aber auf keinem Papier! — Auf dem Kreuzwege der Allee theilte ſich der ſchoͤne Bund auseinander und der linke Zweig der¬ ſelben fuͤhrte Klotilde neben der Nachtigal vorbei in die Wohnung der ſanften Herzen zuruͤck. Viktor kam, von der vergroͤßerten Liebe fuͤr drei Menſchen zugleich aufgeloͤſet, in den dunkeln nur von unterge¬ henden Sternen erleuchteten Zimmern Emanuels an und fand da einen gedeckten Tiſch, den die feine Aebtiſſin dem Gaſte oder dem Wirthe geſendet hatte, (weil Emanuel Abends nur Obſt genoß.) Man will

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/151>, abgerufen am 02.05.2024.