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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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alle Erden-Stufen des ewigen Tempels, dessen Säu¬
len Milchstraßen sind, gestiegen waren: so sank die
Sonne, wie die Gedanken des Menschen, einer an¬
dern Welt entgegen. ...

Die Fontaine im Garten des Endes *), die
mitten auf dem Abhange des südlichen Berges sich
empor richtet und hoch über den Berg wegschimmert,
trug schon auf ihrer krystallnen dünnen Säule einen
von der Abendsonne zu einem Rubin umgegossenen
Schaft und diese glimmende aufgeblätterte Rose zog
sich wie andere entschlafende Blumen schon zu einer
rothen Spitze ein -- und die hängenden Marschsäu¬
len der Mücken im letzten Strale schienen zu sagen:
morgen wird es wieder schön, geht zurück, ach ihr
spielt doch länger in der Sonne als wir. --

Sie gingen zurück; aber als Viktor im Abend
die fünf hohen weissen Säulen am westlichen Ende
des geliebten Gartens blinken sah: wurde sein erhöh¬
tes Herz sehnsüchtig und beklommen und er wehrte
ihm nicht zu seufzen: "gute Klotilde! ach ich möchte
"wohl dich heute noch sehen, ach mein Herz ist voll
"Freudenthränen über diesen heiligen Tag und ich

*) So hieß der Park der Abtei, den der Horion in sei¬
nem romantischen Geschmack anfangen aber nicht vollen¬
den lassen, weil er auf die Insel der Vereinigung fiel. Ich
webe die Beschreibung davon nur stückweise in die Begeben¬
heiten ein.

alle Erden-Stufen des ewigen Tempels, deſſen Saͤu¬
len Milchſtraßen ſind, geſtiegen waren: ſo ſank die
Sonne, wie die Gedanken des Menſchen, einer an¬
dern Welt entgegen. ...

Die Fontaine im Garten des Endes *), die
mitten auf dem Abhange des ſuͤdlichen Berges ſich
empor richtet und hoch uͤber den Berg wegſchimmert,
trug ſchon auf ihrer kryſtallnen duͤnnen Saͤule einen
von der Abendſonne zu einem Rubin umgegoſſenen
Schaft und dieſe glimmende aufgeblaͤtterte Roſe zog
ſich wie andere entſchlafende Blumen ſchon zu einer
rothen Spitze ein — und die haͤngenden Marſchſaͤu¬
len der Muͤcken im letzten Strale ſchienen zu ſagen:
morgen wird es wieder ſchoͤn, geht zuruͤck, ach ihr
ſpielt doch laͤnger in der Sonne als wir. —

Sie gingen zuruͤck; aber als Viktor im Abend
die fuͤnf hohen weiſſen Saͤulen am weſtlichen Ende
des geliebten Gartens blinken ſah: wurde ſein erhoͤh¬
tes Herz ſehnſuͤchtig und beklommen und er wehrte
ihm nicht zu ſeufzen: »gute Klotilde! ach ich moͤchte
»wohl dich heute noch ſehen, ach mein Herz iſt voll
»Freudenthraͤnen uͤber dieſen heiligen Tag und ich

*) So hieß der Park der Abtei, den der Horion in ſei¬
nem romantiſchen Geſchmack anfangen aber nicht vollen¬
den laſſen, weil er auf die Inſel der Vereinigung fiel. Ich
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[135/0145] alle Erden-Stufen des ewigen Tempels, deſſen Saͤu¬ len Milchſtraßen ſind, geſtiegen waren: ſo ſank die Sonne, wie die Gedanken des Menſchen, einer an¬ dern Welt entgegen. ... Die Fontaine im Garten des Endes *), die mitten auf dem Abhange des ſuͤdlichen Berges ſich empor richtet und hoch uͤber den Berg wegſchimmert, trug ſchon auf ihrer kryſtallnen duͤnnen Saͤule einen von der Abendſonne zu einem Rubin umgegoſſenen Schaft und dieſe glimmende aufgeblaͤtterte Roſe zog ſich wie andere entſchlafende Blumen ſchon zu einer rothen Spitze ein — und die haͤngenden Marſchſaͤu¬ len der Muͤcken im letzten Strale ſchienen zu ſagen: morgen wird es wieder ſchoͤn, geht zuruͤck, ach ihr ſpielt doch laͤnger in der Sonne als wir. — Sie gingen zuruͤck; aber als Viktor im Abend die fuͤnf hohen weiſſen Saͤulen am weſtlichen Ende des geliebten Gartens blinken ſah: wurde ſein erhoͤh¬ tes Herz ſehnſuͤchtig und beklommen und er wehrte ihm nicht zu ſeufzen: »gute Klotilde! ach ich moͤchte »wohl dich heute noch ſehen, ach mein Herz iſt voll »Freudenthraͤnen uͤber dieſen heiligen Tag und ich *) So hieß der Park der Abtei, den der Horion in ſei¬ nem romantiſchen Geſchmack anfangen aber nicht vollen¬ den laſſen, weil er auf die Inſel der Vereinigung fiel. Ich webe die Beſchreibung davon nur ſtückweiſe in die Begeben¬ heiten ein.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/145>, abgerufen am 04.05.2024.