"gen, und der erste süße Imbis nach jedem Erwa¬ "chen?" -- Er dachte zwar daran, daß die Kultur uns Brillen gebe und die Zungenwärzgen nehme und uns die Freuden durch die bessere Definizionen der¬ selben vergüte (so wie der Seidenwurm als Raupe Geschmack aber keine Augen, und als Schmetter¬ ling Augen ohne jenen hat) er gestand sich zwar zu, er habe zuviel Verstand, um soviel Vergnügen zu haben wie der Auenthaler Schulman und er philoso¬ phire dazu zu tief; aber er bestand auch darauf: "ei¬ "ne höhere Weisheit müsse doch (weil sonst der All¬ "weise der Allunglückliche seyn müßte) wieder aus "dem schwülen Auditoriums-Parterre den Weg in "ein Blumenparterre finden. Hohe Menschen tra¬ "gen wie die Berge den süßesten Honig." . . .
Ob er gleich schon im letzten Dorfe, gleichsam der Vorstadt von Maienthal, ausläuten hörte: so erzürnte er sich doch nicht über die Verspätung des Eintritts. Ja um sich selber zu zeigen, er sey der Philosoph Sokrates, schritt er mit Fleiß träger fort und libirte nicht wie der Athener den Freudenbecher, sondern füllte ihn gar noch nicht. "Werde immer, "sagt' er zu einem aus Lilien-Samenstaub zusam¬ "mengelaufenen Wölkgen, vor mir früher über die "G[u]ten geweht, du Wolkensäule vor dem gelobten "Land! -- Und dein kleiner Schatten silhouettire "ihnen den festern, der träger nachkömmt und den
»gen, und der erſte ſuͤße Imbis nach jedem Erwa¬ »chen?» — Er dachte zwar daran, daß die Kultur uns Brillen gebe und die Zungenwaͤrzgen nehme und uns die Freuden durch die beſſere Definizionen der¬ ſelben verguͤte (ſo wie der Seidenwurm als Raupe Geſchmack aber keine Augen, und als Schmetter¬ ling Augen ohne jenen hat) er geſtand ſich zwar zu, er habe zuviel Verſtand, um ſoviel Vergnuͤgen zu haben wie der Auenthaler Schulman und er philoſo¬ phire dazu zu tief; aber er beſtand auch darauf: »ei¬ »ne hoͤhere Weisheit muͤſſe doch (weil ſonſt der All¬ »weiſe der Allungluͤckliche ſeyn muͤßte) wieder aus »dem ſchwuͤlen Auditoriums–Parterre den Weg in »ein Blumenparterre finden. Hohe Menſchen tra¬ »gen wie die Berge den ſuͤßeſten Honig.» . . .
Ob er gleich ſchon im letzten Dorfe, gleichſam der Vorſtadt von Maienthal, auslaͤuten hoͤrte: ſo erzuͤrnte er ſich doch nicht uͤber die Verſpaͤtung des Eintritts. Ja um ſich ſelber zu zeigen, er ſey der Philoſoph Sokrates, ſchritt er mit Fleiß traͤger fort und libirte nicht wie der Athener den Freudenbecher, ſondern fuͤllte ihn gar noch nicht. »Werde immer, »ſagt' er zu einem aus Lilien–Samenſtaub zuſam¬ »mengelaufenen Woͤlkgen, vor mir fruͤher uͤber die »G[u]ten geweht, du Wolkenſaͤule vor dem gelobten »Land! — Und dein kleiner Schatten ſilhouettire »ihnen den feſtern, der traͤger nachkoͤmmt und den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0132"n="122"/>
»gen, und der erſte ſuͤße Imbis nach jedem Erwa¬<lb/>
»chen?» — Er dachte zwar daran, daß die Kultur<lb/>
uns Brillen gebe und die Zungenwaͤrzgen nehme und<lb/>
uns die Freuden durch die beſſere Definizionen der¬<lb/>ſelben verguͤte (ſo wie der Seidenwurm als Raupe<lb/><hirendition="#g">Geſchmack</hi> aber keine <hirendition="#g">Augen</hi>, und als Schmetter¬<lb/>
ling Augen ohne jenen hat) er geſtand ſich zwar zu,<lb/>
er habe zuviel Verſtand, um ſoviel Vergnuͤgen zu<lb/>
haben wie der Auenthaler Schulman und er philoſo¬<lb/>
phire dazu zu tief; aber er beſtand auch darauf: »ei¬<lb/>
»ne hoͤhere Weisheit muͤſſe doch (weil ſonſt der All¬<lb/>
»weiſe der Allungluͤckliche ſeyn muͤßte) wieder aus<lb/>
»dem ſchwuͤlen Auditoriums–Parterre den Weg in<lb/>
»ein Blumenparterre finden. Hohe Menſchen tra¬<lb/>
»gen wie die Berge den ſuͤßeſten Honig.» . . .</p><lb/><p>Ob er gleich ſchon im letzten Dorfe, gleichſam<lb/>
der Vorſtadt von Maienthal, auslaͤuten hoͤrte: ſo<lb/>
erzuͤrnte er ſich doch nicht uͤber die Verſpaͤtung des<lb/>
Eintritts. Ja um ſich ſelber zu zeigen, er ſey der<lb/>
Philoſoph Sokrates, ſchritt er mit Fleiß traͤger fort<lb/>
und libirte nicht wie der Athener den Freudenbecher,<lb/>ſondern fuͤllte ihn gar noch nicht. »Werde immer,<lb/>
»ſagt' er zu einem aus Lilien–Samenſtaub zuſam¬<lb/>
»mengelaufenen Woͤlkgen, vor mir fruͤher uͤber die<lb/>
»G<supplied>u</supplied>ten geweht, du Wolkenſaͤule vor dem gelobten<lb/>
»Land! — Und dein kleiner Schatten ſilhouettire<lb/>
»ihnen den feſtern, der traͤger nachkoͤmmt und den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[122/0132]
»gen, und der erſte ſuͤße Imbis nach jedem Erwa¬
»chen?» — Er dachte zwar daran, daß die Kultur
uns Brillen gebe und die Zungenwaͤrzgen nehme und
uns die Freuden durch die beſſere Definizionen der¬
ſelben verguͤte (ſo wie der Seidenwurm als Raupe
Geſchmack aber keine Augen, und als Schmetter¬
ling Augen ohne jenen hat) er geſtand ſich zwar zu,
er habe zuviel Verſtand, um ſoviel Vergnuͤgen zu
haben wie der Auenthaler Schulman und er philoſo¬
phire dazu zu tief; aber er beſtand auch darauf: »ei¬
»ne hoͤhere Weisheit muͤſſe doch (weil ſonſt der All¬
»weiſe der Allungluͤckliche ſeyn muͤßte) wieder aus
»dem ſchwuͤlen Auditoriums–Parterre den Weg in
»ein Blumenparterre finden. Hohe Menſchen tra¬
»gen wie die Berge den ſuͤßeſten Honig.» . . .
Ob er gleich ſchon im letzten Dorfe, gleichſam
der Vorſtadt von Maienthal, auslaͤuten hoͤrte: ſo
erzuͤrnte er ſich doch nicht uͤber die Verſpaͤtung des
Eintritts. Ja um ſich ſelber zu zeigen, er ſey der
Philoſoph Sokrates, ſchritt er mit Fleiß traͤger fort
und libirte nicht wie der Athener den Freudenbecher,
ſondern fuͤllte ihn gar noch nicht. »Werde immer,
»ſagt' er zu einem aus Lilien–Samenſtaub zuſam¬
»mengelaufenen Woͤlkgen, vor mir fruͤher uͤber die
»Guten geweht, du Wolkenſaͤule vor dem gelobten
»Land! — Und dein kleiner Schatten ſilhouettire
»ihnen den feſtern, der traͤger nachkoͤmmt und den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/132>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.