"wäre jämmerlich, die von den Menschen nichts fo¬ "derte als was diese bisher ohne Philosophie leiste¬ "ten. Wir müssen die Wirklichkeit dem Ideal, aber "nicht dieses jener anpassen."
Der heiß-philosophische Melchior: die meisten "jetzigen Bewegungen sind nur Griffe die ein unter "dem Trepan Schlafender nach der blutigen Gehirn¬ "baut thut. -- Aber die fallende Stalaktite der Re¬ "gentschaft tropfet endlich mit der steigenden Stal¬ "agmite des Volkes zur Säule zusammen."
Flamin: "setzen aber nicht Sparter Heloten "voraus und Römer und deutsche Sklaven, und Eu¬ "ropäer Neger? -- Muß sich nicht immer das Glück "des Ganzen auf einzelne Opfer gründen, so wie "ein Stand sich dem Ackerbau widmen muß, damit "ein anderer dem Wissen obliege?"
Kato der ältere: "dann spei' ich auf's Ganze "wenn ich das Opfer bin, und verachte mich, wenn "ich das Ganze bin."
Balthasar: besser ist's, das Ganze leidet frei¬ "willig eines einzigen Gliedes wegen, als daß dieses "wider seine gerechte Stimme für das Ganze "leide."
Mathieu: "fiat justitia et pereat mundus."
Viktor: "Auf deutsch: das größte physische Ue¬ "bel muß man vorziehen dem kleinsten moralischen, "der kleinsten Ungerechtigkeit." --
»waͤre jaͤmmerlich, die von den Menſchen nichts fo¬ »derte als was dieſe bisher ohne Philoſophie leiſte¬ »ten. Wir muͤſſen die Wirklichkeit dem Ideal, aber »nicht dieſes jener anpaſſen.«
Der heiß–philoſophiſche Melchior: die meiſten »jetzigen Bewegungen ſind nur Griffe die ein unter »dem Trepan Schlafender nach der blutigen Gehirn¬ »baut thut. — Aber die fallende Stalaktite der Re¬ »gentſchaft tropfet endlich mit der ſteigenden Stal¬ »agmite des Volkes zur Saͤule zuſammen.«
Flamin: »ſetzen aber nicht Sparter Heloten »voraus und Roͤmer und deutſche Sklaven, und Eu¬ »ropaͤer Neger? — Muß ſich nicht immer das Gluͤck »des Ganzen auf einzelne Opfer gruͤnden, ſo wie »ein Stand ſich dem Ackerbau widmen muß, damit »ein anderer dem Wiſſen obliege?«
Kato der aͤltere: »dann ſpei' ich auf's Ganze »wenn ich das Opfer bin, und verachte mich, wenn »ich das Ganze bin.«
Balthaſar: beſſer iſt's, das Ganze leidet frei¬ »willig eines einzigen Gliedes wegen, als daß dieſes »wider ſeine gerechte Stimme fuͤr das Ganze »leide.«
Mathieu: »fiat justitia et pereat mundus.«
Viktor: »Auf deutſch: das groͤßte phyſiſche Ue¬ »bel muß man vorziehen dem kleinſten moraliſchen, »der kleinſten Ungerechtigkeit.« —
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»waͤre jaͤmmerlich, die von den Menſchen nichts fo¬
»derte als was dieſe bisher ohne Philoſophie leiſte¬
»ten. Wir muͤſſen die Wirklichkeit dem Ideal, aber
»nicht dieſes jener anpaſſen.«
Der heiß–philoſophiſche Melchior: die meiſten
»jetzigen Bewegungen ſind nur Griffe die ein unter
»dem Trepan Schlafender nach der blutigen Gehirn¬
»baut thut. — Aber die fallende Stalaktite der Re¬
»gentſchaft tropfet endlich mit der ſteigenden Stal¬
»agmite des Volkes zur Saͤule zuſammen.«
Flamin: »ſetzen aber nicht Sparter Heloten
»voraus und Roͤmer und deutſche Sklaven, und Eu¬
»ropaͤer Neger? — Muß ſich nicht immer das Gluͤck
»des Ganzen auf einzelne Opfer gruͤnden, ſo wie
»ein Stand ſich dem Ackerbau widmen muß, damit
»ein anderer dem Wiſſen obliege?«
Kato der aͤltere: »dann ſpei' ich auf's Ganze
»wenn ich das Opfer bin, und verachte mich, wenn
»ich das Ganze bin.«
Balthaſar: beſſer iſt's, das Ganze leidet frei¬
»willig eines einzigen Gliedes wegen, als daß dieſes
»wider ſeine gerechte Stimme fuͤr das Ganze
»leide.«
Mathieu: »fiat justitia et pereat mundus.«
Viktor: »Auf deutſch: das groͤßte phyſiſche Ue¬
»bel muß man vorziehen dem kleinſten moraliſchen,
»der kleinſten Ungerechtigkeit.« —
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/108>, abgerufen am 03.05.2024.
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