den wir uns einmal lieben, wenn mein Vater kömmt!"
Hier holte sie die vielleicht um beide besorgte Pfarrerin ab und Flamin ehrte sie, was er selten that, in seiner Erweichung mit einer kindlichen Um¬ armung; und aus vier verweinten Augen las sie ent¬ zückt die Erneuerung ihres unvergänglichen Bundes.
Nichts beweget den Menschen mehr als der An¬ blick einer Versöhnung, unsere Schwächen werden nicht zu kostbar durch die Stunden ihrer Vergebung erkauft, und der Engel, der keinen Zorn empfände, müßte den Menschen beneiden, der ihn überwindet. -- Wenn du vergiebst, so ist der Mensch, der in dein Herz Wunden macht, der Seewurm, der die Muschelschaale zerlöchert, welche die Oefnungen mit Perlen verschließet.
Diese Aussöhnung zog, gleichsam eine mit dem Glück nach sich -- der brumaire Abend wurde zu ei¬ nem floreal-Abend -- die Drillinge aßen vom ge¬ bratnen Ruhm der Appel nach -- Der Pfarrer hatte mit keinen Schlüsseln weiter zu thun als mit Löse¬ schlüsseln, den geistigen Musikschlüsseln -- und das Geburtsfest war zu einem Föderationsfeste aufgeblü¬ het, zu einem Oppositionsklub, wo sich alles, aber in einem höhern Sinne als Quäker und Kaufleute
den wir uns einmal lieben, wenn mein Vater koͤmmt!«
Hier holte ſie die vielleicht um beide beſorgte Pfarrerin ab und Flamin ehrte ſie, was er ſelten that, in ſeiner Erweichung mit einer kindlichen Um¬ armung; und aus vier verweinten Augen las ſie ent¬ zuͤckt die Erneuerung ihres unvergaͤnglichen Bundes.
Nichts beweget den Menſchen mehr als der An¬ blick einer Verſoͤhnung, unſere Schwaͤchen werden nicht zu koſtbar durch die Stunden ihrer Vergebung erkauft, und der Engel, der keinen Zorn empfaͤnde, muͤßte den Menſchen beneiden, der ihn uͤberwindet. — Wenn du vergiebſt, ſo iſt der Menſch, der in dein Herz Wunden macht, der Seewurm, der die Muſchelſchaale zerloͤchert, welche die Oefnungen mit Perlen verſchließet.
Dieſe Ausſoͤhnung zog, gleichſam eine mit dem Gluͤck nach ſich — der brumaire Abend wurde zu ei¬ nem floréal-Abend — die Drillinge aßen vom ge¬ bratnen Ruhm der Appel nach — Der Pfarrer hatte mit keinen Schluͤſſeln weiter zu thun als mit Loͤſe¬ ſchluͤſſeln, den geiſtigen Muſikſchluͤſſeln — und das Geburtsfeſt war zu einem Foͤderationsfeſte aufgebluͤ¬ het, zu einem Oppoſitionsklub, wo ſich alles, aber in einem hoͤhern Sinne als Quaͤker und Kaufleute
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0102"n="92"/>
den wir uns <hirendition="#g">einmal</hi> lieben, wenn mein Vater<lb/>
koͤmmt!«</p><lb/><p>Hier holte ſie die vielleicht um beide beſorgte<lb/>
Pfarrerin ab und Flamin ehrte ſie, was er ſelten<lb/>
that, in ſeiner Erweichung mit einer kindlichen Um¬<lb/>
armung; und aus vier verweinten Augen las ſie ent¬<lb/>
zuͤckt die Erneuerung ihres unvergaͤnglichen Bundes.</p><lb/><p>Nichts beweget den Menſchen mehr als der An¬<lb/>
blick einer Verſoͤhnung, unſere Schwaͤchen werden<lb/>
nicht zu koſtbar durch die Stunden ihrer Vergebung<lb/>
erkauft, und der Engel, der keinen Zorn empfaͤnde,<lb/>
muͤßte den Menſchen beneiden, der ihn uͤberwindet.<lb/>— Wenn du vergiebſt, ſo iſt der Menſch, der in<lb/>
dein Herz Wunden macht, der Seewurm, der die<lb/>
Muſchelſchaale zerloͤchert, welche die Oefnungen mit<lb/><hirendition="#g">Perlen</hi> verſchließet.</p><lb/><p>Dieſe Ausſoͤhnung zog, gleichſam eine mit dem<lb/>
Gluͤck nach ſich — der <hirendition="#aq">brumaire</hi> Abend wurde zu ei¬<lb/>
nem <hirendition="#aq">floréal</hi>-Abend — die Drillinge aßen vom ge¬<lb/>
bratnen Ruhm der Appel nach — Der Pfarrer hatte<lb/>
mit keinen Schluͤſſeln weiter zu thun als mit Loͤſe¬<lb/>ſchluͤſſeln, den geiſtigen Muſikſchluͤſſeln — und das<lb/>
Geburtsfeſt war zu einem Foͤderationsfeſte aufgebluͤ¬<lb/>
het, zu einem Oppoſitionsklub, wo ſich alles, aber in<lb/>
einem hoͤhern Sinne als Quaͤker und Kaufleute<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[92/0102]
den wir uns einmal lieben, wenn mein Vater
koͤmmt!«
Hier holte ſie die vielleicht um beide beſorgte
Pfarrerin ab und Flamin ehrte ſie, was er ſelten
that, in ſeiner Erweichung mit einer kindlichen Um¬
armung; und aus vier verweinten Augen las ſie ent¬
zuͤckt die Erneuerung ihres unvergaͤnglichen Bundes.
Nichts beweget den Menſchen mehr als der An¬
blick einer Verſoͤhnung, unſere Schwaͤchen werden
nicht zu koſtbar durch die Stunden ihrer Vergebung
erkauft, und der Engel, der keinen Zorn empfaͤnde,
muͤßte den Menſchen beneiden, der ihn uͤberwindet.
— Wenn du vergiebſt, ſo iſt der Menſch, der in
dein Herz Wunden macht, der Seewurm, der die
Muſchelſchaale zerloͤchert, welche die Oefnungen mit
Perlen verſchließet.
Dieſe Ausſoͤhnung zog, gleichſam eine mit dem
Gluͤck nach ſich — der brumaire Abend wurde zu ei¬
nem floréal-Abend — die Drillinge aßen vom ge¬
bratnen Ruhm der Appel nach — Der Pfarrer hatte
mit keinen Schluͤſſeln weiter zu thun als mit Loͤſe¬
ſchluͤſſeln, den geiſtigen Muſikſchluͤſſeln — und das
Geburtsfeſt war zu einem Foͤderationsfeſte aufgebluͤ¬
het, zu einem Oppoſitionsklub, wo ſich alles, aber in
einem hoͤhern Sinne als Quaͤker und Kaufleute
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/102>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.