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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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Kurz mein Korrespondent, von dem ich alles
habe, ist fast partheyisch für Klein-Wien eingenom¬
men und widerspricht daher heftig dem Verfasser des
reisenden Franzosen, der irgendwo gesagt haben
soll -- hätt' ich ihn im Hause, so wüst' ich, wie
eigentlich Klein-Wien heisse -- daß der Flachsenfin¬
ger nicht einmal zum Räuber tauge. Knef aber
sagt, er wolle hoffen, daß sie schon gestohlen haben
und stützt sich auf die, die man gehangen hat.

Ende des flüchtigen Extrablättgens, worin der
närrische Karakter der Flachsenfinger skizziret wur¬
de -- oder des perspektivischen Aufrißes der Stadt
Klein-Wien.


Aber unter solchen Menschen konnte mein Held
bei aller Toleranz keine frohen Tage finden, er, der
allen Eigennutz, zumal den schmausenden so haßte und
der gern in D. Grahams Vorlesungen hospitirt hät¬
te, worin dieser lehrte, ohne Essen zu leben -- er,
der in sein Herz so gern den von der Poesie geflü¬
gelten Samen
der Wahrheit aufnahm; der einen
Emanuel am Herzen trug und der den Mangel an
Geschmack sogar für ein Zeichen ansah, daß der
moralische Mensch noch nicht alle Raupenhäute

Kurz mein Korreſpondent, von dem ich alles
habe, iſt faſt partheyiſch fuͤr Klein-Wien eingenom¬
men und widerſpricht daher heftig dem Verfaſſer des
reiſenden Franzoſen, der irgendwo geſagt haben
ſoll — haͤtt' ich ihn im Hauſe, ſo wuͤſt' ich, wie
eigentlich Klein-Wien heiſſe — daß der Flachſenfin¬
ger nicht einmal zum Raͤuber tauge. Knef aber
ſagt, er wolle hoffen, daß ſie ſchon geſtohlen haben
und ſtuͤtzt ſich auf die, die man gehangen hat.

Ende des fluͤchtigen Extrablaͤttgens, worin der
naͤrriſche Karakter der Flachſenfinger ſkizziret wur¬
de — oder des perſpektiviſchen Aufrißes der Stadt
Klein-Wien.


Aber unter ſolchen Menſchen konnte mein Held
bei aller Toleranz keine frohen Tage finden, er, der
allen Eigennutz, zumal den ſchmauſenden ſo haßte und
der gern in D. Grahams Vorleſungen hoſpitirt haͤt¬
te, worin dieſer lehrte, ohne Eſſen zu leben — er,
der in ſein Herz ſo gern den von der Poeſie gefluͤ¬
gelten Samen
der Wahrheit aufnahm; der einen
Emanuel am Herzen trug und der den Mangel an
Geſchmack ſogar fuͤr ein Zeichen anſah, daß der
moraliſche Menſch noch nicht alle Raupenhaͤute

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[63/0073] Kurz mein Korreſpondent, von dem ich alles habe, iſt faſt partheyiſch fuͤr Klein-Wien eingenom¬ men und widerſpricht daher heftig dem Verfaſſer des reiſenden Franzoſen, der irgendwo geſagt haben ſoll — haͤtt' ich ihn im Hauſe, ſo wuͤſt' ich, wie eigentlich Klein-Wien heiſſe — daß der Flachſenfin¬ ger nicht einmal zum Raͤuber tauge. Knef aber ſagt, er wolle hoffen, daß ſie ſchon geſtohlen haben und ſtuͤtzt ſich auf die, die man gehangen hat. Ende des fluͤchtigen Extrablaͤttgens, worin der naͤrriſche Karakter der Flachſenfinger ſkizziret wur¬ de — oder des perſpektiviſchen Aufrißes der Stadt Klein-Wien. Aber unter ſolchen Menſchen konnte mein Held bei aller Toleranz keine frohen Tage finden, er, der allen Eigennutz, zumal den ſchmauſenden ſo haßte und der gern in D. Grahams Vorleſungen hoſpitirt haͤt¬ te, worin dieſer lehrte, ohne Eſſen zu leben — er, der in ſein Herz ſo gern den von der Poeſie gefluͤ¬ gelten Samen der Wahrheit aufnahm; der einen Emanuel am Herzen trug und der den Mangel an Geſchmack ſogar fuͤr ein Zeichen anſah, daß der moraliſche Menſch noch nicht alle Raupenhaͤute

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/73>, abgerufen am 21.11.2024.