Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

schon darum vermögen würde, weil der wahre su¬
spendirte Konsistorialbote schon der Stadt Flachsen¬
fingen wahrscheinlich die ganze Vermummung werde
ins Ohr gesagt haben: so hätt' er ihm die noble
Masque
ausgeredet.

Viktor blieb gedachtermassen weg, wahrscheinlich
aus Scham seiner Rolle und offenbar aus Sehn¬
sucht, Klotildens Sonnenangesicht, das für ihn so
lange nicht aufgegangen war, in einer seinem Her¬
zen bequemern Lage anzuschauen. "Und die Eltern
"werden mich gern wieder sehen, wenn sie mir et¬
"was zu verdanken haben." -- Klotildens Hofamt
nämlich. Ach wie lag das verhüllete Paradieß des
heurigen Frühlings in alten Resten um ihn! Wie
beneidete er die Schattenköpfe im Schlosse, die er
um die Lichter gehen sah, und den alten Pfarrmops,
der ihn zu den Pfarrleuten hineinwedeln wollte und
drinnen auf dem Schauplatz einer so holden Vergan¬
genheit weiter agirte! Und als ihn Disteln am
Schloße an die musivische auf dem Fußboden drin¬
nen erinuerten, so war der Neider zu beneiden und
er ging mit den schönsten Träumen, die je über un¬
ser dunkles Leben gezeichnet wurden, zum Apotheker
zurück.

Am andern Tage kam Jenner nach, froh über
die Eltern, entzückt über die Tochter, weil jene so
fein waren und diese so schön. Es kostete meinem

ſchon darum vermoͤgen wuͤrde, weil der wahre ſu¬
ſpendirte Konſiſtorialbote ſchon der Stadt Flachſen¬
fingen wahrſcheinlich die ganze Vermummung werde
ins Ohr geſagt haben: ſo haͤtt' er ihm die noble
Masque
ausgeredet.

Viktor blieb gedachtermaſſen weg, wahrſcheinlich
aus Scham ſeiner Rolle und offenbar aus Sehn¬
ſucht, Klotildens Sonnenangeſicht, das fuͤr ihn ſo
lange nicht aufgegangen war, in einer ſeinem Her¬
zen bequemern Lage anzuſchauen. »Und die Eltern
»werden mich gern wieder ſehen, wenn ſie mir et¬
»was zu verdanken haben.» — Klotildens Hofamt
naͤmlich. Ach wie lag das verhuͤllete Paradieß des
heurigen Fruͤhlings in alten Reſten um ihn! Wie
beneidete er die Schattenkoͤpfe im Schloſſe, die er
um die Lichter gehen ſah, und den alten Pfarrmops,
der ihn zu den Pfarrleuten hineinwedeln wollte und
drinnen auf dem Schauplatz einer ſo holden Vergan¬
genheit weiter agirte! Und als ihn Diſteln am
Schloße an die muſiviſche auf dem Fußboden drin¬
nen erinuerten, ſo war der Neider zu beneiden und
er ging mit den ſchoͤnſten Traͤumen, die je uͤber un¬
ſer dunkles Leben gezeichnet wurden, zum Apotheker
zuruͤck.

Am andern Tage kam Jenner nach, froh uͤber
die Eltern, entzuͤckt uͤber die Tochter, weil jene ſo
fein waren und dieſe ſo ſchoͤn. Es koſtete meinem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0065" n="55"/>
&#x017F;chon darum vermo&#x0364;gen wu&#x0364;rde, weil der wahre &#x017F;<lb/>
&#x017F;pendirte Kon&#x017F;i&#x017F;torialbote &#x017F;chon der Stadt Flach&#x017F;en¬<lb/>
fingen wahr&#x017F;cheinlich die ganze Vermummung werde<lb/>
ins Ohr ge&#x017F;agt haben: &#x017F;o ha&#x0364;tt' er ihm die <hi rendition="#aq">noble<lb/>
Masque</hi> ausgeredet.</p><lb/>
            <p>Viktor blieb gedachterma&#x017F;&#x017F;en weg, wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
aus Scham &#x017F;einer Rolle und offenbar aus Sehn¬<lb/>
&#x017F;ucht, Klotildens Sonnenange&#x017F;icht, das fu&#x0364;r ihn &#x017F;o<lb/>
lange nicht aufgegangen war, in einer &#x017F;einem Her¬<lb/>
zen bequemern Lage anzu&#x017F;chauen. »Und die Eltern<lb/>
»werden mich gern wieder &#x017F;ehen, wenn &#x017F;ie mir et¬<lb/>
»was zu verdanken haben.» &#x2014; Klotildens Hofamt<lb/>
na&#x0364;mlich. Ach wie lag das verhu&#x0364;llete Paradieß des<lb/>
heurigen Fru&#x0364;hlings in alten Re&#x017F;ten um ihn! Wie<lb/>
beneidete er die Schattenko&#x0364;pfe im Schlo&#x017F;&#x017F;e, die er<lb/>
um die Lichter gehen &#x017F;ah, und den alten Pfarrmops,<lb/>
der ihn zu den Pfarrleuten hineinwedeln wollte und<lb/>
drinnen auf dem Schauplatz einer &#x017F;o holden Vergan¬<lb/>
genheit weiter agirte! Und als ihn Di&#x017F;teln am<lb/>
Schloße an die mu&#x017F;ivi&#x017F;che auf dem Fußboden drin¬<lb/>
nen erinuerten, &#x017F;o war der Neider zu beneiden und<lb/>
er ging mit den &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Tra&#x0364;umen, die je u&#x0364;ber un¬<lb/>
&#x017F;er dunkles Leben gezeichnet wurden, zum Apotheker<lb/>
zuru&#x0364;ck.</p><lb/>
            <p>Am andern Tage kam Jenner nach, froh u&#x0364;ber<lb/>
die Eltern, entzu&#x0364;ckt u&#x0364;ber die Tochter, weil jene &#x017F;o<lb/>
fein waren und die&#x017F;e &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n. Es ko&#x017F;tete meinem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0065] ſchon darum vermoͤgen wuͤrde, weil der wahre ſu¬ ſpendirte Konſiſtorialbote ſchon der Stadt Flachſen¬ fingen wahrſcheinlich die ganze Vermummung werde ins Ohr geſagt haben: ſo haͤtt' er ihm die noble Masque ausgeredet. Viktor blieb gedachtermaſſen weg, wahrſcheinlich aus Scham ſeiner Rolle und offenbar aus Sehn¬ ſucht, Klotildens Sonnenangeſicht, das fuͤr ihn ſo lange nicht aufgegangen war, in einer ſeinem Her¬ zen bequemern Lage anzuſchauen. »Und die Eltern »werden mich gern wieder ſehen, wenn ſie mir et¬ »was zu verdanken haben.» — Klotildens Hofamt naͤmlich. Ach wie lag das verhuͤllete Paradieß des heurigen Fruͤhlings in alten Reſten um ihn! Wie beneidete er die Schattenkoͤpfe im Schloſſe, die er um die Lichter gehen ſah, und den alten Pfarrmops, der ihn zu den Pfarrleuten hineinwedeln wollte und drinnen auf dem Schauplatz einer ſo holden Vergan¬ genheit weiter agirte! Und als ihn Diſteln am Schloße an die muſiviſche auf dem Fußboden drin¬ nen erinuerten, ſo war der Neider zu beneiden und er ging mit den ſchoͤnſten Traͤumen, die je uͤber un¬ ſer dunkles Leben gezeichnet wurden, zum Apotheker zuruͤck. Am andern Tage kam Jenner nach, froh uͤber die Eltern, entzuͤckt uͤber die Tochter, weil jene ſo fein waren und dieſe ſo ſchoͤn. Es koſtete meinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/65
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/65>, abgerufen am 02.05.2024.