"Seele, gegen dieses große Herz -- Dann fall' ich "an dein Herz, Klotilde, dann umschling' ich dich "auf ewig, und die Fluth der ewig stillen Wonne "hüllt uns ein -- Wehet wieder nach dem Leben, "Erdentöne, zwischen meiner und ihrer Brust, und "dann schwimme eine kleine Nacht, ein wallender "Schattenumriß auf euren lichten Welten daher und "ich werde hinsehen und sagen: das war mein Leben "-- dann sag' ich sanfter und weine stärker: ja der "Mensch ist unglücklich, aber auf der Erde nur."
O giebt's einen Menschen, über welchen bei die¬ sen letzten Worten die Erinnerung große Regenwol¬ ken zieht, so sag' ich zu ihm: geliebter Bruder, ge¬ liebte Schwester, ich bin heute so gerührt wie du, ich achte den Schmerz den du verbirgst -- ach du entschuldigst mich und ich dich. . . .
Das Lied stand still und tönte aus. -- Welche Stille jetzt im Dunkel! Alles Seufzen war in ein zögerndes Athmen eingekleidet. Nur die Nebelsterne der Empfindung funkelten hell in der Finsterniß. Kei¬ ner sah wessen Auge naß geworden war. Viktor blickte in die stille schwarze Luft vor ihm, die vor wenig Minuten mit hängenden Gärten von Tönen, mit zerfließenden Luftschlössern des menschlichen Ohrs, mit verkleinerten Himmeln erfüllt gewesen war und die nun da blieb als nacktes schwarzes Feuerwerks- Gerüst. --
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»Seele, gegen dieſes große Herz — Dann fall' ich »an dein Herz, Klotilde, dann umſchling' ich dich »auf ewig, und die Fluth der ewig ſtillen Wonne »huͤllt uns ein — Wehet wieder nach dem Leben, »Erdentoͤne, zwiſchen meiner und ihrer Bruſt, und »dann ſchwimme eine kleine Nacht, ein wallender »Schattenumriß auf euren lichten Welten daher und »ich werde hinſehen und ſagen: das war mein Leben »— dann ſag' ich ſanfter und weine ſtaͤrker: ja der »Menſch iſt ungluͤcklich, aber auf der Erde nur.«
O giebt's einen Menſchen, uͤber welchen bei die¬ ſen letzten Worten die Erinnerung große Regenwol¬ ken zieht, ſo ſag' ich zu ihm: geliebter Bruder, ge¬ liebte Schweſter, ich bin heute ſo geruͤhrt wie du, ich achte den Schmerz den du verbirgſt — ach du entſchuldigſt mich und ich dich. . . .
Das Lied ſtand ſtill und toͤnte aus. — Welche Stille jetzt im Dunkel! Alles Seufzen war in ein zoͤgerndes Athmen eingekleidet. Nur die Nebelſterne der Empfindung funkelten hell in der Finſterniß. Kei¬ ner ſah weſſen Auge naß geworden war. Viktor blickte in die ſtille ſchwarze Luft vor ihm, die vor wenig Minuten mit haͤngenden Gaͤrten von Toͤnen, mit zerfließenden Luftſchloͤſſern des menſchlichen Ohrs, mit verkleinerten Himmeln erfuͤllt geweſen war und die nun da blieb als nacktes ſchwarzes Feuerwerks- Geruͤſt. —
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»Seele, gegen dieſes große Herz — Dann fall' ich
»an dein Herz, Klotilde, dann umſchling' ich dich
»auf ewig, und die Fluth der ewig ſtillen Wonne
»huͤllt uns ein — Wehet wieder nach dem Leben,
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»dann ſchwimme eine kleine Nacht, ein wallender
»Schattenumriß auf euren lichten Welten daher und
»ich werde hinſehen und ſagen: das war mein Leben
»— dann ſag' ich ſanfter und weine ſtaͤrker: ja der
»Menſch iſt ungluͤcklich, aber auf der Erde nur.«
O giebt's einen Menſchen, uͤber welchen bei die¬
ſen letzten Worten die Erinnerung große Regenwol¬
ken zieht, ſo ſag' ich zu ihm: geliebter Bruder, ge¬
liebte Schweſter, ich bin heute ſo geruͤhrt wie du,
ich achte den Schmerz den du verbirgſt — ach du
entſchuldigſt mich und ich dich. . . .
Das Lied ſtand ſtill und toͤnte aus. — Welche
Stille jetzt im Dunkel! Alles Seufzen war in ein
zoͤgerndes Athmen eingekleidet. Nur die Nebelſterne
der Empfindung funkelten hell in der Finſterniß. Kei¬
ner ſah weſſen Auge naß geworden war. Viktor
blickte in die ſtille ſchwarze Luft vor ihm, die vor
wenig Minuten mit haͤngenden Gaͤrten von Toͤnen,
mit zerfließenden Luftſchloͤſſern des menſchlichen Ohrs,
mit verkleinerten Himmeln erfuͤllt geweſen war und
die nun da blieb als nacktes ſchwarzes Feuerwerks-
Geruͤſt. —
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/381>, abgerufen am 24.11.2024.
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