Licht hinauskäme) nicht so machen dürfe wie sonst, wo er sich zu jedem Adagio eigne Szenen vorkolo¬ rirte und jedem Stücke besondere Schwärmereien seiner Texte unterlegte. Denn es ist das einzige Mittel, den Tönen ihre Allmacht zu geben, wenn man sie zu Ripienstimmen unserer Stimmung und so aus Instrumental-Vokal-Musik, aus unartikulirten Tönen artikulirte macht, anstatt daß die schönste Reihe Töne, die kein bestimmter Gegenstand zu Al¬ phabet und Sprache ordnet, abgeleitet vom bespül¬ ten aber nicht erweichten Herzen. -- Als daher die holdesten Laute, die je über Menschenlippen als Mit¬ lauter der Seele floßen, von der bebenden Mund¬ harmonika zu wehen anfingen; als er fühlte, daß diese kleinen Stahlringe gleichsam als Klaviatur und Faßung und Griffbret seines Herzens ihre Erschüt¬ terungen zu seinen machen würden: so zwang er sein fieberhaftes Herz, an dem ohnehin heute alle Wun¬ den aufgingen, sich gegen die Töne zusammenzuziehen und sich keine Szenen vorzuzeichnen, blos damit er -- -- nicht in Thränen ausbräche eh' das Licht weg wäre.
Immer höher stieg das Zuggarn hebender Töne mit seinem ergriffenen Herzen empor. -- Eine weh¬ müthige Erinnerung um die andre sagte in dieser Geisterstunde der Vergangenheit zu ihm: "erdrücke
Licht hinauskaͤme) nicht ſo machen duͤrfe wie ſonſt, wo er ſich zu jedem Adagio eigne Szenen vorkolo¬ rirte und jedem Stuͤcke beſondere Schwaͤrmereien ſeiner Texte unterlegte. Denn es iſt das einzige Mittel, den Toͤnen ihre Allmacht zu geben, wenn man ſie zu Ripienſtimmen unſerer Stimmung und ſo aus Inſtrumental-Vokal-Muſik, aus unartikulirten Toͤnen artikulirte macht, anſtatt daß die ſchoͤnſte Reihe Toͤne, die kein beſtimmter Gegenſtand zu Al¬ phabet und Sprache ordnet, abgeleitet vom beſpuͤl¬ ten aber nicht erweichten Herzen. — Als daher die holdeſten Laute, die je uͤber Menſchenlippen als Mit¬ lauter der Seele floßen, von der bebenden Mund¬ harmonika zu wehen anfingen; als er fuͤhlte, daß dieſe kleinen Stahlringe gleichſam als Klaviatur und Faßung und Griffbret ſeines Herzens ihre Erſchuͤt¬ terungen zu ſeinen machen wuͤrden: ſo zwang er ſein fieberhaftes Herz, an dem ohnehin heute alle Wun¬ den aufgingen, ſich gegen die Toͤne zuſammenzuziehen und ſich keine Szenen vorzuzeichnen, blos damit er — — nicht in Thraͤnen ausbraͤche eh' das Licht weg waͤre.
Immer hoͤher ſtieg das Zuggarn hebender Toͤne mit ſeinem ergriffenen Herzen empor. — Eine weh¬ muͤthige Erinnerung um die andre ſagte in dieſer Geiſterſtunde der Vergangenheit zu ihm: »erdruͤcke
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Licht hinauskaͤme) nicht ſo machen duͤrfe wie ſonſt,
wo er ſich zu jedem Adagio eigne Szenen vorkolo¬
rirte und jedem Stuͤcke beſondere Schwaͤrmereien
ſeiner Texte unterlegte. Denn es iſt das einzige
Mittel, den Toͤnen ihre Allmacht zu geben, wenn
man ſie zu Ripienſtimmen unſerer Stimmung und ſo
aus Inſtrumental-Vokal-Muſik, aus unartikulirten
Toͤnen artikulirte macht, anſtatt daß die ſchoͤnſte
Reihe Toͤne, die kein beſtimmter Gegenſtand zu Al¬
phabet und Sprache ordnet, abgeleitet vom beſpuͤl¬
ten aber nicht erweichten Herzen. — Als daher die
holdeſten Laute, die je uͤber Menſchenlippen als Mit¬
lauter der Seele floßen, von der bebenden Mund¬
harmonika zu wehen anfingen; als er fuͤhlte, daß
dieſe kleinen Stahlringe gleichſam als Klaviatur und
Faßung und Griffbret ſeines Herzens ihre Erſchuͤt¬
terungen zu ſeinen machen wuͤrden: ſo zwang er ſein
fieberhaftes Herz, an dem ohnehin heute alle Wun¬
den aufgingen, ſich gegen die Toͤne zuſammenzuziehen
und ſich keine Szenen vorzuzeichnen, blos damit er
— — nicht in Thraͤnen ausbraͤche eh' das Licht
weg waͤre.
Immer hoͤher ſtieg das Zuggarn hebender Toͤne
mit ſeinem ergriffenen Herzen empor. — Eine weh¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/377>, abgerufen am 24.11.2024.
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