"Ab[en]droth glimmte an ihnen -- Ach alle sind un¬ "ter Schnee verschüttet und unter Nacht!" Er sah in den Garten Klotildens hinab, in dessen finstern vom Schnee überflatterten Lauben er das Eden seines Herzens gefunden und wieder verloren hatte. "Die Töne, die über diesen Garten flossen, sind ver¬ "siegt, aber nicht die Thränen, die ihnen nachrin¬ "nen" dacht' er. Er sah in den Garten ihres Bru¬ "ders hinab, wo das Tulpen-C zerblättert und die "grünenden Namen vergangen und verhüllet waren."
Mit dieser Seele, die in diese Gegend wie in das Gebeinhaus verweseter Tage hineingeschauet hat¬ te, kehrt' er zum freudigen Klubbe zurück. Der Tausch der Temperatur hatte seine Aehnlichkeit mit der Punschunion konservirt, die unterdessen fortge¬ trunken. Alle und er betraten die Gränze des Trun¬ kes, wo man in Einem Athem lacht und weint; aber es freuet mich, daß der Mensch doch wahre Nah¬ rung des Geistes und Herzens (wenn gleich aus kei¬ ner Klosterküche oder Klosterbibliothek, doch) aus ei¬ nem -- Klosterkeller ziehen kann; -- daß er die Ge¬ sundheit seines -- Witzes trinkt; -- daß ihn ein je¬ der Kelch (nicht bloß auf dem Altar) geistlich stärkt und daß er wenn die Schlangen ihre Kronen beim Saufen abnehmen, seine darunter aufsetzt -- und daß die Weinrebe Thränen nicht bloß selber oder aus den Augen eines katholischen Marienbildes ver¬
»Ab[en]droth glimmte an ihnen — Ach alle ſind un¬ »ter Schnee verſchuͤttet und unter Nacht!« Er ſah in den Garten Klotildens hinab, in deſſen finſtern vom Schnee uͤberflatterten Lauben er das Eden ſeines Herzens gefunden und wieder verloren hatte. »Die Toͤne, die uͤber dieſen Garten floſſen, ſind ver¬ »ſiegt, aber nicht die Thraͤnen, die ihnen nachrin¬ »nen« dacht' er. Er ſah in den Garten ihres Bru¬ »ders hinab, wo das Tulpen-C zerblaͤttert und die »gruͤnenden Namen vergangen und verhuͤllet waren.»
Mit dieſer Seele, die in dieſe Gegend wie in das Gebeinhaus verweſeter Tage hineingeſchauet hat¬ te, kehrt' er zum freudigen Klubbe zuruͤck. Der Tauſch der Temperatur hatte ſeine Aehnlichkeit mit der Punſchunion konſervirt, die unterdeſſen fortge¬ trunken. Alle und er betraten die Graͤnze des Trun¬ kes, wo man in Einem Athem lacht und weint; aber es freuet mich, daß der Menſch doch wahre Nah¬ rung des Geiſtes und Herzens (wenn gleich aus kei¬ ner Kloſterkuͤche oder Kloſterbibliothek, doch) aus ei¬ nem — Kloſterkeller ziehen kann; — daß er die Ge¬ ſundheit ſeines — Witzes trinkt; — daß ihn ein je¬ der Kelch (nicht bloß auf dem Altar) geiſtlich ſtaͤrkt und daß er wenn die Schlangen ihre Kronen beim Saufen abnehmen, ſeine darunter aufſetzt — und daß die Weinrebe Thraͤnen nicht bloß ſelber oder aus den Augen eines katholiſchen Marienbildes ver¬
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»Abendroth glimmte an ihnen — Ach alle ſind un¬
»ter Schnee verſchuͤttet und unter Nacht!« Er ſah
in den Garten Klotildens hinab, in deſſen finſtern
vom Schnee uͤberflatterten Lauben er das Eden
ſeines Herzens gefunden und wieder verloren hatte.
»Die Toͤne, die uͤber dieſen Garten floſſen, ſind ver¬
»ſiegt, aber nicht die Thraͤnen, die ihnen nachrin¬
»nen« dacht' er. Er ſah in den Garten ihres Bru¬
»ders hinab, wo das Tulpen-C zerblaͤttert und die
»gruͤnenden Namen vergangen und verhuͤllet waren.»
Mit dieſer Seele, die in dieſe Gegend wie in
das Gebeinhaus verweſeter Tage hineingeſchauet hat¬
te, kehrt' er zum freudigen Klubbe zuruͤck. Der
Tauſch der Temperatur hatte ſeine Aehnlichkeit mit
der Punſchunion konſervirt, die unterdeſſen fortge¬
trunken. Alle und er betraten die Graͤnze des Trun¬
kes, wo man in Einem Athem lacht und weint; aber
es freuet mich, daß der Menſch doch wahre Nah¬
rung des Geiſtes und Herzens (wenn gleich aus kei¬
ner Kloſterkuͤche oder Kloſterbibliothek, doch) aus ei¬
nem — Kloſterkeller ziehen kann; — daß er die Ge¬
ſundheit ſeines — Witzes trinkt; — daß ihn ein je¬
der Kelch (nicht bloß auf dem Altar) geiſtlich ſtaͤrkt
und daß er wenn die Schlangen ihre Kronen beim
Saufen abnehmen, ſeine darunter aufſetzt — und
daß die Weinrebe Thraͤnen nicht bloß ſelber oder
aus den Augen eines katholiſchen Marienbildes ver¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/356>, abgerufen am 24.11.2024.
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