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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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friedenheit als die goldnen Fischgräten in ro¬
them Felde des Wappens der Grafen von Windisch¬
grätz! --

Konnt' er denn lange in der Küche -- diesem
Wittwensitz seiner alten geschiednen Jugend -- oder
unter so vielen Freundinnen Klotildens, die ihm alle
ihr Niedersinken und Weggehen (im doppelten Sin¬
ne) vorklagten, stehen, ohne daß der Honiges¬
sig
zurückgewünschter Freuden über seinen Gaumen
lief und die Zuckung des Mitleidens durch sein
Herz; ob er heute gleich im zweiten Stockwerk die
Disputazion über die Freiheit als ein wahres zer¬
theilendes Mittel, als ein eau d'arquebusade, we¬
nigstens als eine Aderlaßbinde über seine ofne Adern
übergeschlagen hatte? Ich fragte, ob er an die
Gute lange nicht denken konnte. -- Aber ich würde
die Antwort gar nicht geben und aus Mitleiden mit
dem unschuldigen Viktor es vor soviel inkrustirten
Seelen -- die in ihrer Ribben-Konchylie die poeti¬
schen Freuden der Liebe gut heissen und doch die poe¬
tischen Leiden derselben nicht -- gar nicht offenba¬
ren, wie oft er jeden Milchzucker des Schicksals mit
dem giftigen Bleizucker der Erinnerung versetzte,
wenn ich nicht deswegen müßte: . . .

-- weil die kleine Julia wieder kam aus dem
Schloße und mitbrachte, morgen komme Tante schon
(Klotilde). Dieses versprach also, daß die Ministers

Hesperus. II. Th. Y

friedenheit als die goldnen Fiſchgraͤten in ro¬
them Felde des Wappens der Grafen von Windiſch¬
graͤtz! —

Konnt' er denn lange in der Kuͤche — dieſem
Wittwenſitz ſeiner alten geſchiednen Jugend — oder
unter ſo vielen Freundinnen Klotildens, die ihm alle
ihr Niederſinken und Weggehen (im doppelten Sin¬
ne) vorklagten, ſtehen, ohne daß der Honigeſ¬
ſig
zuruͤckgewuͤnſchter Freuden uͤber ſeinen Gaumen
lief und die Zuckung des Mitleidens durch ſein
Herz; ob er heute gleich im zweiten Stockwerk die
Diſputazion uͤber die Freiheit als ein wahres zer¬
theilendes Mittel, als ein eau d'arquebusade, we¬
nigſtens als eine Aderlaßbinde uͤber ſeine ofne Adern
uͤbergeſchlagen hatte? Ich fragte, ob er an die
Gute lange nicht denken konnte. — Aber ich wuͤrde
die Antwort gar nicht geben und aus Mitleiden mit
dem unſchuldigen Viktor es vor ſoviel inkruſtirten
Seelen — die in ihrer Ribben-Konchylie die poeti¬
ſchen Freuden der Liebe gut heiſſen und doch die poe¬
tiſchen Leiden derſelben nicht — gar nicht offenba¬
ren, wie oft er jeden Milchzucker des Schickſals mit
dem giftigen Bleizucker der Erinnerung verſetzte,
wenn ich nicht deswegen muͤßte: . . .

— weil die kleine Julia wieder kam aus dem
Schloße und mitbrachte, morgen komme Tante ſchon
(Klotilde). Dieſes verſprach alſo, daß die Miniſters

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[337/0347] friedenheit als die goldnen Fiſchgraͤten in ro¬ them Felde des Wappens der Grafen von Windiſch¬ graͤtz! — Konnt' er denn lange in der Kuͤche — dieſem Wittwenſitz ſeiner alten geſchiednen Jugend — oder unter ſo vielen Freundinnen Klotildens, die ihm alle ihr Niederſinken und Weggehen (im doppelten Sin¬ ne) vorklagten, ſtehen, ohne daß der Honigeſ¬ ſig zuruͤckgewuͤnſchter Freuden uͤber ſeinen Gaumen lief und die Zuckung des Mitleidens durch ſein Herz; ob er heute gleich im zweiten Stockwerk die Diſputazion uͤber die Freiheit als ein wahres zer¬ theilendes Mittel, als ein eau d'arquebusade, we¬ nigſtens als eine Aderlaßbinde uͤber ſeine ofne Adern uͤbergeſchlagen hatte? Ich fragte, ob er an die Gute lange nicht denken konnte. — Aber ich wuͤrde die Antwort gar nicht geben und aus Mitleiden mit dem unſchuldigen Viktor es vor ſoviel inkruſtirten Seelen — die in ihrer Ribben-Konchylie die poeti¬ ſchen Freuden der Liebe gut heiſſen und doch die poe¬ tiſchen Leiden derſelben nicht — gar nicht offenba¬ ren, wie oft er jeden Milchzucker des Schickſals mit dem giftigen Bleizucker der Erinnerung verſetzte, wenn ich nicht deswegen muͤßte: . . . — weil die kleine Julia wieder kam aus dem Schloße und mitbrachte, morgen komme Tante ſchon (Klotilde). Dieſes verſprach alſo, daß die Miniſters Heſperus. II. Th. Y

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/347>, abgerufen am 26.05.2024.