schaften im Kopfe und zwar auf der Zunge hatte und deswegen wöchentlich ein bureau d' esprit hielt. In dieser lächerlichen Verfassung verspielte Bastian seinen Abend und verschluckte sein Souper: er konnte gut erzählen, aber er hatte nichts zu erzählen -- in den wenigen Contes, die ihm beiwohnten, war alles anonym; und dem Zirkel um ihn waren gerade die Namen das erste -- seine Laune konnt' er auch nicht brauchen, weil so eine wie die seinige den Inhaber selber in ein sanftes komisches Licht stellet und weil sie also nur unter guten Freunden, deren Achtung man nicht verlieren kann, aber nicht unter bösen Freunden, deren Achtung man ertrotzen muß, in ih¬ ren Sokkus und Narrenkragen fahren darf -- er genoß nicht einmal das Glück, innerlich alle auszu¬ lachen, weil er keine Zeit dazu hatte und weil er die Leute nicht eher lächerlich fand als hinter ihrem Rücken -- --
Verdammt übel war er d'ran -- "ich komm' "euch sobald nicht wieder" dachte er -- und als der Mond durch die zwei langen Glasthüren des Balkons, der auf den Garten hinaussah, mit seinem träumerischen Licht einging, das draussen auf stillere Wohnungen, schönere Prospekte und ruhigere Herzen fiel: so schlich er (da seine Spiel-Maskopeigesell¬ schaft durch den Fürsten nach dem Essen zertrennt war) auf den Balkon hinaus und die auf der Erde
ſchaften im Kopfe und zwar auf der Zunge hatte und deswegen woͤchentlich ein bureau d' esprit hielt. In dieſer laͤcherlichen Verfaſſung verſpielte Baſtian ſeinen Abend und verſchluckte ſein Souper: er konnte gut erzaͤhlen, aber er hatte nichts zu erzaͤhlen — in den wenigen Contes, die ihm beiwohnten, war alles anonym; und dem Zirkel um ihn waren gerade die Namen das erſte — ſeine Laune konnt' er auch nicht brauchen, weil ſo eine wie die ſeinige den Inhaber ſelber in ein ſanftes komiſches Licht ſtellet und weil ſie alſo nur unter guten Freunden, deren Achtung man nicht verlieren kann, aber nicht unter boͤſen Freunden, deren Achtung man ertrotzen muß, in ih¬ ren Sokkus und Narrenkragen fahren darf — er genoß nicht einmal das Gluͤck, innerlich alle auszu¬ lachen, weil er keine Zeit dazu hatte und weil er die Leute nicht eher laͤcherlich fand als hinter ihrem Ruͤcken — —
Verdammt uͤbel war er d'ran — »ich komm' »euch ſobald nicht wieder» dachte er — und als der Mond durch die zwei langen Glasthuͤren des Balkons, der auf den Garten hinausſah, mit ſeinem traͤumeriſchen Licht einging, das drauſſen auf ſtillere Wohnungen, ſchoͤnere Proſpekte und ruhigere Herzen fiel: ſo ſchlich er (da ſeine Spiel-Maskopeigeſell¬ ſchaft durch den Fuͤrſten nach dem Eſſen zertrennt war) auf den Balkon hinaus und die auf der Erde
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ſchaften im Kopfe und zwar auf der Zunge hatte
und deswegen woͤchentlich ein bureau d' esprit hielt.
In dieſer laͤcherlichen Verfaſſung verſpielte Baſtian
ſeinen Abend und verſchluckte ſein Souper: er konnte
gut erzaͤhlen, aber er hatte nichts zu erzaͤhlen — in
den wenigen Contes, die ihm beiwohnten, war alles
anonym; und dem Zirkel um ihn waren gerade die
Namen das erſte — ſeine Laune konnt' er auch nicht
brauchen, weil ſo eine wie die ſeinige den Inhaber
ſelber in ein ſanftes komiſches Licht ſtellet und weil
ſie alſo nur unter guten Freunden, deren Achtung
man nicht verlieren kann, aber nicht unter boͤſen
Freunden, deren Achtung man ertrotzen muß, in ih¬
ren Sokkus und Narrenkragen fahren darf — er
genoß nicht einmal das Gluͤck, innerlich alle auszu¬
lachen, weil er keine Zeit dazu hatte und weil er
die Leute nicht eher laͤcherlich fand als hinter ihrem
Ruͤcken — —
Verdammt uͤbel war er d'ran — »ich komm'
»euch ſobald nicht wieder» dachte er — und als
der Mond durch die zwei langen Glasthuͤren des
Balkons, der auf den Garten hinausſah, mit ſeinem
traͤumeriſchen Licht einging, das drauſſen auf ſtillere
Wohnungen, ſchoͤnere Proſpekte und ruhigere Herzen
fiel: ſo ſchlich er (da ſeine Spiel-Maskopeigeſell¬
ſchaft durch den Fuͤrſten nach dem Eſſen zertrennt
war) auf den Balkon hinaus und die auf der Erde
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/34>, abgerufen am 21.11.2024.
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