Leuten, die ihn haßten vom Vater her und die ihn beobachteten, um sein Verhältniß mit dem Fürsten zu erklären und zu rechtfertigen -- vor der Fürstin selber, die der Henker auch da hatte -- vor Mat¬ thieu, der hier in seinem Element und in seiner Forcerolle und Bravourarie war -- und vor dem Minister. -- Zumal vor dem letztern: Viktor fand an diesem einen Mann voll Würde, dem die Ge¬ schäfte die Artigkeit nicht nahmen, noch das Den¬ ken den Witz und den eine kleine Ironie und Kälte nur noch mehr erhoben, der aber Gefühl, Gelehrte und die Menschen zu verachten schien. Viktor dach¬ te sich überhaupt einen Minister -- z. B. Pitt -- wie einen Schweizer Eisberg, an den oben Wolken und Thau als Nahrung anfrieren, der die Tiefe drückt und der im Wechsel zwischen Schmelzen und Vereisen, unten grosse Flüße aussendet und aus des¬ sen Klüften Leichname steigen.
Jenner selber wurde unter ihnen nicht recht froh: was halfen ihm die feinsten Gerichte wenn sie durch die feinsten Einfälle verbittert wurden? Der Spiel¬ tisch war daher -- zumal bei der feindlichen Lan¬ dung seiner Gemahlin -- sein ruhiger Ankerplatz; und sein Viktor war dasmal auch froh, neben ihm zu ankern. Mein Korrespondent meint, den Stimm¬ hammer zu diesem überfeinen dreimal gestrichenen Ton drehte blos die Ministerin, die alle Wissen¬
Leuten, die ihn haßten vom Vater her und die ihn beobachteten, um ſein Verhaͤltniß mit dem Fuͤrſten zu erklaͤren und zu rechtfertigen — vor der Fuͤrſtin ſelber, die der Henker auch da hatte — vor Mat¬ thieu, der hier in ſeinem Element und in ſeiner Forcerolle und Bravourarie war — und vor dem Miniſter. — Zumal vor dem letztern: Viktor fand an dieſem einen Mann voll Wuͤrde, dem die Ge¬ ſchaͤfte die Artigkeit nicht nahmen, noch das Den¬ ken den Witz und den eine kleine Ironie und Kaͤlte nur noch mehr erhoben, der aber Gefuͤhl, Gelehrte und die Menſchen zu verachten ſchien. Viktor dach¬ te ſich uͤberhaupt einen Miniſter — z. B. Pitt — wie einen Schweizer Eisberg, an den oben Wolken und Thau als Nahrung anfrieren, der die Tiefe druͤckt und der im Wechſel zwiſchen Schmelzen und Vereiſen, unten groſſe Fluͤße ausſendet und aus deſ¬ ſen Kluͤften Leichname ſteigen.
Jenner ſelber wurde unter ihnen nicht recht froh: was halfen ihm die feinſten Gerichte wenn ſie durch die feinſten Einfaͤlle verbittert wurden? Der Spiel¬ tiſch war daher — zumal bei der feindlichen Lan¬ dung ſeiner Gemahlin — ſein ruhiger Ankerplatz; und ſein Viktor war dasmal auch froh, neben ihm zu ankern. Mein Korreſpondent meint, den Stimm¬ hammer zu dieſem uͤberfeinen dreimal geſtrichenen Ton drehte blos die Miniſterin, die alle Wiſſen¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0033"n="23"/>
Leuten, die ihn haßten vom Vater her und die ihn<lb/>
beobachteten, um ſein Verhaͤltniß mit dem Fuͤrſten<lb/>
zu erklaͤren und zu rechtfertigen — vor der Fuͤrſtin<lb/>ſelber, die der Henker auch da hatte — vor Mat¬<lb/>
thieu, der hier in ſeinem Element und in ſeiner<lb/>
Forcerolle und Bravourarie war — und vor dem<lb/>
Miniſter. — Zumal vor dem letztern: Viktor fand<lb/>
an dieſem einen Mann voll Wuͤrde, dem die Ge¬<lb/>ſchaͤfte die Artigkeit nicht nahmen, noch das Den¬<lb/>
ken den Witz und den eine kleine Ironie und Kaͤlte<lb/>
nur noch mehr erhoben, der aber Gefuͤhl, Gelehrte<lb/>
und die Menſchen zu verachten ſchien. Viktor dach¬<lb/>
te ſich uͤberhaupt einen Miniſter — z. B. Pitt —<lb/>
wie einen Schweizer Eisberg, an den oben Wolken<lb/>
und Thau als Nahrung anfrieren, der die Tiefe<lb/>
druͤckt und der im Wechſel zwiſchen Schmelzen und<lb/>
Vereiſen, unten groſſe Fluͤße ausſendet und aus deſ¬<lb/>ſen Kluͤften Leichname ſteigen.</p><lb/><p>Jenner ſelber wurde unter ihnen nicht recht froh:<lb/>
was halfen ihm die feinſten Gerichte wenn ſie durch<lb/>
die feinſten Einfaͤlle verbittert wurden? Der Spiel¬<lb/>
tiſch war daher — zumal bei der feindlichen Lan¬<lb/>
dung ſeiner Gemahlin —ſein ruhiger Ankerplatz;<lb/>
und ſein Viktor war dasmal auch froh, neben ihm<lb/>
zu ankern. Mein Korreſpondent meint, den Stimm¬<lb/>
hammer zu dieſem uͤberfeinen dreimal geſtrichenen<lb/>
Ton drehte blos die Miniſterin, die alle Wiſſen¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[23/0033]
Leuten, die ihn haßten vom Vater her und die ihn
beobachteten, um ſein Verhaͤltniß mit dem Fuͤrſten
zu erklaͤren und zu rechtfertigen — vor der Fuͤrſtin
ſelber, die der Henker auch da hatte — vor Mat¬
thieu, der hier in ſeinem Element und in ſeiner
Forcerolle und Bravourarie war — und vor dem
Miniſter. — Zumal vor dem letztern: Viktor fand
an dieſem einen Mann voll Wuͤrde, dem die Ge¬
ſchaͤfte die Artigkeit nicht nahmen, noch das Den¬
ken den Witz und den eine kleine Ironie und Kaͤlte
nur noch mehr erhoben, der aber Gefuͤhl, Gelehrte
und die Menſchen zu verachten ſchien. Viktor dach¬
te ſich uͤberhaupt einen Miniſter — z. B. Pitt —
wie einen Schweizer Eisberg, an den oben Wolken
und Thau als Nahrung anfrieren, der die Tiefe
druͤckt und der im Wechſel zwiſchen Schmelzen und
Vereiſen, unten groſſe Fluͤße ausſendet und aus deſ¬
ſen Kluͤften Leichname ſteigen.
Jenner ſelber wurde unter ihnen nicht recht froh:
was halfen ihm die feinſten Gerichte wenn ſie durch
die feinſten Einfaͤlle verbittert wurden? Der Spiel¬
tiſch war daher — zumal bei der feindlichen Lan¬
dung ſeiner Gemahlin — ſein ruhiger Ankerplatz;
und ſein Viktor war dasmal auch froh, neben ihm
zu ankern. Mein Korreſpondent meint, den Stimm¬
hammer zu dieſem uͤberfeinen dreimal geſtrichenen
Ton drehte blos die Miniſterin, die alle Wiſſen¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/33>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.