-- Er setzte dieses Niederfallen noch aus, weil er hinter der Gardine einen goldnen Streif wahr¬ nahm, der der Anfang eines Bilderrahmens zu seyn schien. Dieses Einfassungsgewächs mußte doch um etwas herumlaufen, um ein Bild mein' ich -- und das wollt' er gern wissen.
Der verdammte Hofapotheker samt seiner Ver¬ läumdung hatt' es zu verantworten, das er das wollte: nicht als ob er glaubte, daß Mazens Gesicht umgoldet hinter dem Bette hinge: sondern weil ihm heute allerlei aufgefallen war. Er konnt' es, da ih¬ res Auges Tapetenthür und Sprachgitter schwarz verhangen war, recht leicht machen: er durfte nur die linke Hand leis' auf die Bettkante aufstemmen und so hineingebogen, und über ihr mit gehaltenem Athem schwebend, mit der rechten über das Bette (es war schmal und er lang) hinübergreifen und die Gardine ein wenig zupfen -- so wußt' er, was da¬ hinter hing. Ich sag' es noch einmal, ohne den Apotheker wär's ihm gar nicht eingefallen. Eine Verläumdung macht, daß man wenigstens jede Hand¬ lung um ihren Paß befragt -- man thuts bloß, um die Verläumdung recht augenscheinlich zu widerlegen -- und da oft die unschuldigste keinen Gesundheits¬ paß hat: so schüttelt man den Kopf und sagt: es ist wahre Verläumdung, aber aufpassen will ich doch
— Er ſetzte dieſes Niederfallen noch aus, weil er hinter der Gardine einen goldnen Streif wahr¬ nahm, der der Anfang eines Bilderrahmens zu ſeyn ſchien. Dieſes Einfaſſungsgewaͤchs mußte doch um etwas herumlaufen, um ein Bild mein' ich — und das wollt' er gern wiſſen.
Der verdammte Hofapotheker ſamt ſeiner Ver¬ laͤumdung hatt' es zu verantworten, das er das wollte: nicht als ob er glaubte, daß Mazens Geſicht umgoldet hinter dem Bette hinge: ſondern weil ihm heute allerlei aufgefallen war. Er konnt' es, da ih¬ res Auges Tapetenthuͤr und Sprachgitter ſchwarz verhangen war, recht leicht machen: er durfte nur die linke Hand leiſ' auf die Bettkante aufſtemmen und ſo hineingebogen, und uͤber ihr mit gehaltenem Athem ſchwebend, mit der rechten uͤber das Bette (es war ſchmal und er lang) hinuͤbergreifen und die Gardine ein wenig zupfen — ſo wußt' er, was da¬ hinter hing. Ich ſag' es noch einmal, ohne den Apotheker waͤr's ihm gar nicht eingefallen. Eine Verlaͤumdung macht, daß man wenigſtens jede Hand¬ lung um ihren Paß befragt — man thuts bloß, um die Verlaͤumdung recht augenſcheinlich zu widerlegen — und da oft die unſchuldigſte keinen Geſundheits¬ paß hat: ſo ſchuͤttelt man den Kopf und ſagt: es iſt wahre Verlaͤumdung, aber aufpaſſen will ich doch
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— Er ſetzte dieſes Niederfallen noch aus, weil
er hinter der Gardine einen goldnen Streif wahr¬
nahm, der der Anfang eines Bilderrahmens zu ſeyn
ſchien. Dieſes Einfaſſungsgewaͤchs mußte doch um
etwas herumlaufen, um ein Bild mein' ich — und
das wollt' er gern wiſſen.
Der verdammte Hofapotheker ſamt ſeiner Ver¬
laͤumdung hatt' es zu verantworten, das er das
wollte: nicht als ob er glaubte, daß Mazens Geſicht
umgoldet hinter dem Bette hinge: ſondern weil ihm
heute allerlei aufgefallen war. Er konnt' es, da ih¬
res Auges Tapetenthuͤr und Sprachgitter ſchwarz
verhangen war, recht leicht machen: er durfte nur
die linke Hand leiſ' auf die Bettkante aufſtemmen
und ſo hineingebogen, und uͤber ihr mit gehaltenem
Athem ſchwebend, mit der rechten uͤber das Bette
(es war ſchmal und er lang) hinuͤbergreifen und die
Gardine ein wenig zupfen — ſo wußt' er, was da¬
hinter hing. Ich ſag' es noch einmal, ohne den
Apotheker waͤr's ihm gar nicht eingefallen. Eine
Verlaͤumdung macht, daß man wenigſtens jede Hand¬
lung um ihren Paß befragt — man thuts bloß, um
die Verlaͤumdung recht augenſcheinlich zu widerlegen
— und da oft die unſchuldigſte keinen Geſundheits¬
paß hat: ſo ſchuͤttelt man den Kopf und ſagt: es iſt
wahre Verlaͤumdung, aber aufpaſſen will ich doch
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/326>, abgerufen am 28.11.2024.
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