Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Agnola machte wohl diese Bemerkung eher
als ich.

Es that freilich dem Paare schlechten Vorschub,
daß es unter -- nicht vier (denn Agnola war zuge¬
hangen) sondern unter -- zwei Augen war; die zwei
andern Augen im Kabinet -- aus denen Viktor nicht
eher klug werden konnte als jetzt da die fürstlichen
zu waren und er ohne Fragen durch Blicke und An¬
lächeln das starre Ding auf dem Sessel drinnen im
Kabinet untersuchen konnte -- waren wahrhaftig ge¬
mahlt
und der Rumpf dazu, worin sie saßen.

Es frappirte ihn jetzt, daß er wider alle Etikette
allein bei der Fürstin seyn durfte; aber er sagte sich,
sie ist eine Italienerin -- eine Pazientin -- eine kleine
schöne Phantastin -- (Letzteres war sogar aus dem
ungewöhnlichen Winterneglige und Sizilien-Feuer
ersichtlich.) -- Er konnte bisher (und auch heute
vor dem Thorschluß der Augen) den rechten Ton
gar nicht bei ihr treffen; denn da sie zu fein war
für eine Deutsche, zu wenig zärtlich für eine Eng¬
länderin, zu lebhaft für eine Spanierin: so hätt' er
auf sie freilich geschrieben p. p. p. (passe par Paris,
welches auf den über Paris gelaufnen Briefen steht,)
hätt' es, sag' ich, wäre sie nicht wieder zu innig¬
leidenschaftlich gewesen für eine Pariserin. Daran
sties sichs. -- Aber da zwei Menschen sich muthiger
und freier unterreden wenn einer oder beide im Fin¬

Agnola machte wohl dieſe Bemerkung eher
als ich.

Es that freilich dem Paare ſchlechten Vorſchub,
daß es unter — nicht vier (denn Agnola war zuge¬
hangen) ſondern unter — zwei Augen war; die zwei
andern Augen im Kabinet — aus denen Viktor nicht
eher klug werden konnte als jetzt da die fuͤrſtlichen
zu waren und er ohne Fragen durch Blicke und An¬
laͤcheln das ſtarre Ding auf dem Seſſel drinnen im
Kabinet unterſuchen konnte — waren wahrhaftig ge¬
mahlt
und der Rumpf dazu, worin ſie ſaßen.

Es frappirte ihn jetzt, daß er wider alle Etikette
allein bei der Fuͤrſtin ſeyn durfte; aber er ſagte ſich,
ſie iſt eine Italienerin — eine Pazientin — eine kleine
ſchoͤne Phantaſtin — (Letzteres war ſogar aus dem
ungewoͤhnlichen Winternegligé und Sizilien-Feuer
erſichtlich.) — Er konnte bisher (und auch heute
vor dem Thorſchluß der Augen) den rechten Ton
gar nicht bei ihr treffen; denn da ſie zu fein war
fuͤr eine Deutſche, zu wenig zaͤrtlich fuͤr eine Eng¬
laͤnderin, zu lebhaft fuͤr eine Spanierin: ſo haͤtt' er
auf ſie freilich geſchrieben p. p. p. (passé par Paris,
welches auf den uͤber Paris gelaufnen Briefen ſteht,)
haͤtt' es, ſag' ich‚ waͤre ſie nicht wieder zu innig¬
leidenſchaftlich geweſen fuͤr eine Pariſerin. Daran
ſties ſichs. — Aber da zwei Menſchen ſich muthiger
und freier unterreden wenn einer oder beide im Fin¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0324" n="314"/>
            <p>Agnola machte wohl die&#x017F;e Bemerkung eher<lb/>
als ich.</p><lb/>
            <p>Es that freilich dem Paare &#x017F;chlechten Vor&#x017F;chub,<lb/>
daß es unter &#x2014; nicht vier (denn Agnola war zuge¬<lb/>
hangen) &#x017F;ondern unter &#x2014; zwei Augen war; die zwei<lb/>
andern Augen im Kabinet &#x2014; aus denen Viktor nicht<lb/>
eher klug werden konnte als jetzt da die fu&#x0364;r&#x017F;tlichen<lb/>
zu waren und er ohne Fragen durch Blicke und An¬<lb/>
la&#x0364;cheln das &#x017F;tarre Ding auf dem Se&#x017F;&#x017F;el drinnen im<lb/>
Kabinet unter&#x017F;uchen konnte &#x2014; waren wahrhaftig <hi rendition="#g">ge¬<lb/>
mahlt</hi> und der Rumpf dazu, worin &#x017F;ie &#x017F;aßen.</p><lb/>
            <p>Es frappirte ihn jetzt, daß er wider alle Etikette<lb/>
allein bei der Fu&#x0364;r&#x017F;tin &#x017F;eyn durfte; aber er &#x017F;agte &#x017F;ich,<lb/>
&#x017F;ie i&#x017F;t eine Italienerin &#x2014; eine Pazientin &#x2014; eine kleine<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Phanta&#x017F;tin &#x2014; (Letzteres war &#x017F;ogar aus dem<lb/>
ungewo&#x0364;hnlichen Winterneglig<hi rendition="#aq">é</hi> und Sizilien-Feuer<lb/>
er&#x017F;ichtlich.) &#x2014; Er konnte bisher (und auch heute<lb/><hi rendition="#g">vor</hi> dem Thor&#x017F;chluß der Augen) den rechten Ton<lb/>
gar nicht bei ihr treffen; denn da &#x017F;ie zu fein war<lb/>
fu&#x0364;r eine Deut&#x017F;che, zu wenig za&#x0364;rtlich fu&#x0364;r eine Eng¬<lb/>
la&#x0364;nderin, zu lebhaft fu&#x0364;r eine Spanierin: &#x017F;o ha&#x0364;tt' er<lb/>
auf &#x017F;ie freilich ge&#x017F;chrieben <hi rendition="#aq">p</hi>. <hi rendition="#aq">p</hi>. <hi rendition="#aq">p</hi>. (<hi rendition="#aq">passé par Paris</hi>,<lb/>
welches auf den u&#x0364;ber Paris gelaufnen Briefen &#x017F;teht,)<lb/>
ha&#x0364;tt' es, &#x017F;ag' ich&#x201A; wa&#x0364;re &#x017F;ie nicht wieder zu innig¬<lb/>
leiden&#x017F;chaftlich gewe&#x017F;en fu&#x0364;r eine Pari&#x017F;erin. Daran<lb/>
&#x017F;ties &#x017F;ichs. &#x2014; Aber da zwei Men&#x017F;chen &#x017F;ich muthiger<lb/>
und freier unterreden wenn einer oder beide im Fin¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0324] Agnola machte wohl dieſe Bemerkung eher als ich. Es that freilich dem Paare ſchlechten Vorſchub, daß es unter — nicht vier (denn Agnola war zuge¬ hangen) ſondern unter — zwei Augen war; die zwei andern Augen im Kabinet — aus denen Viktor nicht eher klug werden konnte als jetzt da die fuͤrſtlichen zu waren und er ohne Fragen durch Blicke und An¬ laͤcheln das ſtarre Ding auf dem Seſſel drinnen im Kabinet unterſuchen konnte — waren wahrhaftig ge¬ mahlt und der Rumpf dazu, worin ſie ſaßen. Es frappirte ihn jetzt, daß er wider alle Etikette allein bei der Fuͤrſtin ſeyn durfte; aber er ſagte ſich, ſie iſt eine Italienerin — eine Pazientin — eine kleine ſchoͤne Phantaſtin — (Letzteres war ſogar aus dem ungewoͤhnlichen Winternegligé und Sizilien-Feuer erſichtlich.) — Er konnte bisher (und auch heute vor dem Thorſchluß der Augen) den rechten Ton gar nicht bei ihr treffen; denn da ſie zu fein war fuͤr eine Deutſche, zu wenig zaͤrtlich fuͤr eine Eng¬ laͤnderin, zu lebhaft fuͤr eine Spanierin: ſo haͤtt' er auf ſie freilich geſchrieben p. p. p. (passé par Paris, welches auf den uͤber Paris gelaufnen Briefen ſteht,) haͤtt' es, ſag' ich‚ waͤre ſie nicht wieder zu innig¬ leidenſchaftlich geweſen fuͤr eine Pariſerin. Daran ſties ſichs. — Aber da zwei Menſchen ſich muthiger und freier unterreden wenn einer oder beide im Fin¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/324
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/324>, abgerufen am 26.05.2024.