Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

-- Ambassadeur vom ersten Range. Denn Jenner,
dessen Herzens-Elektrisirmaschine sich am elektrisi¬
renden Kissen einer schönen Wange oder eines Fichü
voll Funken lud, hatte eben deswegen gegen Agnola,
mit der er der Politik wegen die Konkordaten der
Ehe abgeschlossen, alle Wärme seines -- Monatsna¬
men. Gegen Viktor, den Sohn ihres Erbfeindes,
den Sukzessor des Hausdiebes der fürstlichen Gunst
hegte sie, wie leicht zu erachten, wahre -- Zärtlich¬
keit. Unser arme Held -- betroffen über Jenners
Kälte, für die er sich von der Gemahlin eben keine
sonderliche Wärme gegen sich selber versprach -- be¬
trug sich so ernsthaft wie der ältere und jüngere
Kato zugleich. Er dankte Gott (und ich selber)
daß er fortkam.

Aber unter dem ganzen Wege dachte er: "hätt'
"ich nur mein Sendschreiben aus dem Uhr-Couvert
"heraus! Ach ich thäte dann alles, arme Agnola,
"dich zu versöhnen mit deinem Schicksal und mit
"deinem Gemahl!" -- "Ach St. Lüne -- setzte er
"unter dem Vorbeifahren vor dem Stadtsenior hin¬
"zu -- du friedlicher Ort voll Blumen und Liebe!
"Die Hazpachtung spedirt deinen Bastian von einem
"Hazhaus ins andre."

Denn er mußte Höflichkeitshalber doch auch zum
wirklichen Minister -- und Jenner nahm ihn mit.
Dorthin gieng er mit Lust, gleichsam wie in ein

— Ambaſſadeur vom erſten Range. Denn Jenner,
deſſen Herzens-Elektriſirmaſchine ſich am elektriſi¬
renden Kiſſen einer ſchoͤnen Wange oder eines Fichuͤ
voll Funken lud, hatte eben deswegen gegen Agnola,
mit der er der Politik wegen die Konkordaten der
Ehe abgeſchloſſen, alle Waͤrme ſeines — Monatsna¬
men. Gegen Viktor, den Sohn ihres Erbfeindes,
den Sukzeſſor des Hausdiebes der fuͤrſtlichen Gunſt
hegte ſie, wie leicht zu erachten, wahre — Zaͤrtlich¬
keit. Unſer arme Held — betroffen uͤber Jenners
Kaͤlte, fuͤr die er ſich von der Gemahlin eben keine
ſonderliche Waͤrme gegen ſich ſelber verſprach — be¬
trug ſich ſo ernſthaft wie der aͤltere und juͤngere
Kato zugleich. Er dankte Gott (und ich ſelber)
daß er fortkam.

Aber unter dem ganzen Wege dachte er: »haͤtt'
»ich nur mein Sendſchreiben aus dem Uhr-Couvert
»heraus! Ach ich thaͤte dann alles, arme Agnola,
»dich zu verſoͤhnen mit deinem Schickſal und mit
»deinem Gemahl!» — »Ach St. Luͤne — ſetzte er
»unter dem Vorbeifahren vor dem Stadtſenior hin¬
»zu — du friedlicher Ort voll Blumen und Liebe!
»Die Hazpachtung ſpedirt deinen Baſtian von einem
»Hazhaus ins andre.»

Denn er mußte Hoͤflichkeitshalber doch auch zum
wirklichen Miniſter — und Jenner nahm ihn mit.
Dorthin gieng er mit Luſt, gleichſam wie in ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0031" n="21"/>
&#x2014; Amba&#x017F;&#x017F;adeur vom er&#x017F;ten Range. Denn Jenner,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Herzens-Elektri&#x017F;irma&#x017F;chine &#x017F;ich am elektri&#x017F;<lb/>
renden Ki&#x017F;&#x017F;en einer &#x017F;cho&#x0364;nen Wange oder eines Fichu&#x0364;<lb/>
voll Funken lud, hatte eben deswegen gegen Agnola,<lb/>
mit der er der Politik wegen die Konkordaten der<lb/>
Ehe abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, alle Wa&#x0364;rme &#x017F;eines &#x2014; Monatsna¬<lb/>
men. Gegen Viktor, den Sohn ihres Erbfeindes,<lb/>
den Sukze&#x017F;&#x017F;or des Hausdiebes der fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Gun&#x017F;t<lb/>
hegte &#x017F;ie, wie leicht zu erachten, wahre &#x2014; Za&#x0364;rtlich¬<lb/>
keit. Un&#x017F;er arme Held &#x2014; betroffen u&#x0364;ber Jenners<lb/>
Ka&#x0364;lte, fu&#x0364;r die er &#x017F;ich von der Gemahlin eben keine<lb/>
&#x017F;onderliche Wa&#x0364;rme gegen &#x017F;ich &#x017F;elber ver&#x017F;prach &#x2014; be¬<lb/>
trug &#x017F;ich &#x017F;o ern&#x017F;thaft wie der a&#x0364;ltere und ju&#x0364;ngere<lb/>
Kato zugleich. Er dankte Gott (und ich &#x017F;elber)<lb/>
daß er fortkam.</p><lb/>
          <p>Aber unter dem ganzen Wege dachte er: »ha&#x0364;tt'<lb/>
»ich nur mein Send&#x017F;chreiben aus dem Uhr-Couvert<lb/>
»heraus! Ach ich tha&#x0364;te dann alles, arme Agnola,<lb/>
»dich zu ver&#x017F;o&#x0364;hnen mit deinem Schick&#x017F;al und mit<lb/>
»deinem Gemahl!» &#x2014; »Ach St. Lu&#x0364;ne &#x2014; &#x017F;etzte er<lb/>
»unter dem Vorbeifahren vor dem Stadt&#x017F;enior hin¬<lb/>
»zu &#x2014; du friedlicher Ort voll Blumen und Liebe!<lb/>
»Die Hazpachtung &#x017F;pedirt deinen Ba&#x017F;tian von einem<lb/>
»Hazhaus ins andre.»</p><lb/>
          <p>Denn er mußte Ho&#x0364;flichkeitshalber doch auch zum<lb/>
wirklichen Mini&#x017F;ter &#x2014; und Jenner nahm ihn mit.<lb/>
Dorthin gieng er mit Lu&#x017F;t, gleich&#x017F;am wie in ein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0031] — Ambaſſadeur vom erſten Range. Denn Jenner, deſſen Herzens-Elektriſirmaſchine ſich am elektriſi¬ renden Kiſſen einer ſchoͤnen Wange oder eines Fichuͤ voll Funken lud, hatte eben deswegen gegen Agnola, mit der er der Politik wegen die Konkordaten der Ehe abgeſchloſſen, alle Waͤrme ſeines — Monatsna¬ men. Gegen Viktor, den Sohn ihres Erbfeindes, den Sukzeſſor des Hausdiebes der fuͤrſtlichen Gunſt hegte ſie, wie leicht zu erachten, wahre — Zaͤrtlich¬ keit. Unſer arme Held — betroffen uͤber Jenners Kaͤlte, fuͤr die er ſich von der Gemahlin eben keine ſonderliche Waͤrme gegen ſich ſelber verſprach — be¬ trug ſich ſo ernſthaft wie der aͤltere und juͤngere Kato zugleich. Er dankte Gott (und ich ſelber) daß er fortkam. Aber unter dem ganzen Wege dachte er: »haͤtt' »ich nur mein Sendſchreiben aus dem Uhr-Couvert »heraus! Ach ich thaͤte dann alles, arme Agnola, »dich zu verſoͤhnen mit deinem Schickſal und mit »deinem Gemahl!» — »Ach St. Luͤne — ſetzte er »unter dem Vorbeifahren vor dem Stadtſenior hin¬ »zu — du friedlicher Ort voll Blumen und Liebe! »Die Hazpachtung ſpedirt deinen Baſtian von einem »Hazhaus ins andre.» Denn er mußte Hoͤflichkeitshalber doch auch zum wirklichen Miniſter — und Jenner nahm ihn mit. Dorthin gieng er mit Luſt, gleichſam wie in ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/31
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/31>, abgerufen am 24.04.2024.