Auge noch eine Freudenthräne, eh' es erstarret und dringet noch unter die Schmerzen der kämpfenden Seele mit dem sanften Frühlingslaute hinein: ich liebe dich -- Wenn, ers gesagt hat, stirbt sie an der letzten Freude und er liebt dann auf der Erde wei¬ ter niemand mehr." . . .
Die Vergangenheit hatte, seine Seele überfallen -- Thränen hingen in seinen Augen und mischten Klotildens Krankenbild in einer sonderbaren Ver¬ dunklung mit Joachimens ihrem zusammen -- er sah und dachte eine Gestalt, die nicht da war -- er drückte die Hand derjenigen, die da war und dachte nicht daran, daß sie alles auf sich beziehen könnte.
Plötzlich trat lächelnd Matthieu herein und die Schwester lächelte nach, um alles zu erklären und sagte: der Herr Hofmedikus gab sich bisher die Mühe, dich zu widerlegen. "Viktor schnell erkaltet, versetzte zweideutig und bitter: Sie begreifen H. v. Schleunes, daß es mir am leichtesten wird, Sie in die Flucht zu schlagen, wenn Sie nicht im Felde sind." -- Maz fixirte ihn; Viktor schlug sanft sein Auge nieder und bereuete die Bitterkeit. Die Schwester fuhr gleichgültig fort: "ich glaube, mein Bruder ist oft im Falle mit der Facon zu wechseln." -- Er nahm es heiter lachend auf und dachte wie Viktor, sie ziele auf seine galanten Avantüren und Lusttreffen mit Weibern aus allen Ständen, die auf
Auge noch eine Freudenthraͤne, eh' es erſtarret und dringet noch unter die Schmerzen der kaͤmpfenden Seele mit dem ſanften Fruͤhlingslaute hinein: ich liebe dich — Wenn, ers geſagt hat, ſtirbt ſie an der letzten Freude und er liebt dann auf der Erde wei¬ ter niemand mehr.« . . .
Die Vergangenheit hatte, ſeine Seele uͤberfallen — Thraͤnen hingen in ſeinen Augen und miſchten Klotildens Krankenbild in einer ſonderbaren Ver¬ dunklung mit Joachimens ihrem zuſammen — er ſah und dachte eine Geſtalt, die nicht da war — er druͤckte die Hand derjenigen, die da war und dachte nicht daran, daß ſie alles auf ſich beziehen koͤnnte.
Ploͤtzlich trat laͤchelnd Matthieu herein und die Schweſter laͤchelte nach, um alles zu erklaͤren und ſagte: der Herr Hofmedikus gab ſich bisher die Muͤhe, dich zu widerlegen. »Viktor ſchnell erkaltet, verſetzte zweideutig und bitter: Sie begreifen H. v. Schleunes, daß es mir am leichteſten wird, Sie in die Flucht zu ſchlagen, wenn Sie nicht im Felde ſind.« — Maz fixirte ihn; Viktor ſchlug ſanft ſein Auge nieder und bereuete die Bitterkeit. Die Schweſter fuhr gleichguͤltig fort: »ich glaube, mein Bruder iſt oft im Falle mit der Facon zu wechſeln.« — Er nahm es heiter lachend auf und dachte wie Viktor, ſie ziele auf ſeine galanten Avantuͤren und Luſttreffen mit Weibern aus allen Staͤnden, die auf
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Auge noch eine Freudenthraͤne, eh' es erſtarret und
dringet noch unter die Schmerzen der kaͤmpfenden
Seele mit dem ſanften Fruͤhlingslaute hinein: ich
liebe dich — Wenn, ers geſagt hat, ſtirbt ſie an der
letzten Freude und er liebt dann auf der Erde wei¬
ter niemand mehr.« . . .
Die Vergangenheit hatte, ſeine Seele uͤberfallen
— Thraͤnen hingen in ſeinen Augen und miſchten
Klotildens Krankenbild in einer ſonderbaren Ver¬
dunklung mit Joachimens ihrem zuſammen — er
ſah und dachte eine Geſtalt, die nicht da war — er
druͤckte die Hand derjenigen, die da war und dachte
nicht daran, daß ſie alles auf ſich beziehen koͤnnte.
Ploͤtzlich trat laͤchelnd Matthieu herein und die
Schweſter laͤchelte nach, um alles zu erklaͤren und
ſagte: der Herr Hofmedikus gab ſich bisher die
Muͤhe, dich zu widerlegen. »Viktor ſchnell erkaltet,
verſetzte zweideutig und bitter: Sie begreifen H. v.
Schleunes, daß es mir am leichteſten wird, Sie in
die Flucht zu ſchlagen, wenn Sie nicht im Felde
ſind.« — Maz fixirte ihn; Viktor ſchlug ſanft
ſein Auge nieder und bereuete die Bitterkeit. Die
Schweſter fuhr gleichguͤltig fort: »ich glaube, mein
Bruder iſt oft im Falle mit der Facon zu wechſeln.«
— Er nahm es heiter lachend auf und dachte wie
Viktor, ſie ziele auf ſeine galanten Avantuͤren und
Luſttreffen mit Weibern aus allen Staͤnden, die auf
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/240>, abgerufen am 21.11.2024.
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