durch -- daß er wie eine Mühle klingelte, wenn sein innerer Mensch nichts mehr zu mahlen hatte -- setzte er sich am leichtesten in Stand, eine strengere Diät zu halten als wol Doktores und Moralisten fodern könnten und beschämte mehr als einen Gros¬ sen, den man nach der Ausweidung im Tode aufs Paradebette legen sollte mit dem hungrigen Magen unter dem einen Arm, und mit der durstigen Leber unter dem andern, wie man auch Kapaunen beide Eingeweide als Chapeaubashüte zwischen beide Flü¬ gel giebt.
Im Schlosse war Viktor zu Hause wie in der Kaplanei: denn der eigentliche Hof, der eigentliche Hof-Wurmstock und Froschlaich war blos im Pal¬ last des wirklichen Ministers von Schleunes ansäßig, weil der die Honneurs des Thrones machen muste, die Gesandten, die Fremden einlud u. s. w. Die Fürstin logirte im grossen alten Schloß, das Paul¬ linum genannt. So verlebte also Jenner seine Tage ohne Prunk aber bequem in der wahren Einsamkeit eines Weisen und brachte sie mit Essen, Trinken, Schlafen zu; daher konnte ihn der flachsenfingische Prorektor ohne Schmeichelei mit den größten alten Römern vergleichen, an denen wir einen ähnlichen Haß des Gepränges bewundern. Jenner hatte im Grunde keinen Hof, sondern ging selber an den Hof seines wirklichen Ministers: aber höchst ungern,
durch — daß er wie eine Muͤhle klingelte, wenn ſein innerer Menſch nichts mehr zu mahlen hatte — ſetzte er ſich am leichteſten in Stand, eine ſtrengere Diaͤt zu halten als wol Doktores und Moraliſten fodern koͤnnten und beſchaͤmte mehr als einen Groſ¬ ſen, den man nach der Ausweidung im Tode aufs Paradebette legen ſollte mit dem hungrigen Magen unter dem einen Arm, und mit der durſtigen Leber unter dem andern, wie man auch Kapaunen beide Eingeweide als Chapeaubashuͤte zwiſchen beide Fluͤ¬ gel giebt.
Im Schloſſe war Viktor zu Hauſe wie in der Kaplanei: denn der eigentliche Hof, der eigentliche Hof-Wurmſtock und Froſchlaich war blos im Pal¬ laſt des wirklichen Miniſters von Schleunes anſaͤßig, weil der die Honneurs des Thrones machen muſte, die Geſandten, die Fremden einlud u. ſ. w. Die Fuͤrſtin logirte im groſſen alten Schloß, das Paul¬ linum genannt. So verlebte alſo Jenner ſeine Tage ohne Prunk aber bequem in der wahren Einſamkeit eines Weiſen und brachte ſie mit Eſſen, Trinken, Schlafen zu; daher konnte ihn der flachſenfingiſche Prorektor ohne Schmeichelei mit den groͤßten alten Roͤmern vergleichen, an denen wir einen aͤhnlichen Haß des Gepraͤnges bewundern. Jenner hatte im Grunde keinen Hof, ſondern ging ſelber an den Hof ſeines wirklichen Miniſters: aber hoͤchſt ungern,
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durch — daß er wie eine Muͤhle klingelte, wenn
ſein innerer Menſch nichts mehr zu mahlen hatte —
ſetzte er ſich am leichteſten in Stand, eine ſtrengere
Diaͤt zu halten als wol Doktores und Moraliſten
fodern koͤnnten und beſchaͤmte mehr als einen Groſ¬
ſen, den man nach der Ausweidung im Tode aufs
Paradebette legen ſollte mit dem hungrigen Magen
unter dem einen Arm, und mit der durſtigen Leber
unter dem andern, wie man auch Kapaunen beide
Eingeweide als Chapeaubashuͤte zwiſchen beide Fluͤ¬
gel giebt.
Im Schloſſe war Viktor zu Hauſe wie in der
Kaplanei: denn der eigentliche Hof, der eigentliche
Hof-Wurmſtock und Froſchlaich war blos im Pal¬
laſt des wirklichen Miniſters von Schleunes anſaͤßig,
weil der die Honneurs des Thrones machen muſte,
die Geſandten, die Fremden einlud u. ſ. w. Die
Fuͤrſtin logirte im groſſen alten Schloß, das Paul¬
linum genannt. So verlebte alſo Jenner ſeine Tage
ohne Prunk aber bequem in der wahren Einſamkeit
eines Weiſen und brachte ſie mit Eſſen, Trinken,
Schlafen zu; daher konnte ihn der flachſenfingiſche
Prorektor ohne Schmeichelei mit den groͤßten alten
Roͤmern vergleichen, an denen wir einen aͤhnlichen
Haß des Gepraͤnges bewundern. Jenner hatte im
Grunde keinen Hof, ſondern ging ſelber an den
Hof ſeines wirklichen Miniſters: aber hoͤchſt ungern,
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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