Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Er fand diejenigen Weiber täglich amüsanter, die
uns Leuten von Verstand das Herz aus der Brust
und das Gehirn aus dem Kopf entwenden und zwar
(wie jener Edelmann anderes Zeug) nicht aus Liebe
zum gestohlnen Gute, sondern aus Liebe zum Rau¬
ben
-- sie schicken wie der Edelmann den andern
Morgen das Gut dem Eigner redlich wieder zu.
Ihre Feinheiten, -- die seinigen -- seine Wendun¬
gen, um ihren auszuweichen -- die Aufmerksamkeit,
die man an sich wenden muß -- die Gelegenheit,
alle Empfindungen unter die feinsten Trennmesser zu
bringen, oder unter Sonnen- und Mondmikroskope --
die Leichtigkeit, den aufrichtigsten Wahrheiten den
sauern Geschmack und den angenehmsten den süßlich¬
ten zu benehmen -- -- dieses machte ihm die Nacht¬
tische der Weiber, besonders der koketten zu Lekti¬
sternien und Göttertischen: "beim Himmel, sagte
"der Toiletten-Panist und Nacht-Tischgänger --
"ein Mann ist bloß ein Holländer, höchstens ein
"Deutscher, aber eine Frau ist eine geborne Franzö¬
"sin oder gar eine Pariserin -- der Mann verbirgt
"seine moralische wie seine physische Brust -- Ge¬
"danken und Blumen, die nicht durch die Raufen
"der vier Fakultäten durchfallen, Empfindungen, die
"in keinem visum repertum beschrieben werden kön:
"nen, muß man warlich nur einer Frau und keinem

Er fand diejenigen Weiber taͤglich amuͤſanter, die
uns Leuten von Verſtand das Herz aus der Bruſt
und das Gehirn aus dem Kopf entwenden und zwar
(wie jener Edelmann anderes Zeug) nicht aus Liebe
zum geſtohlnen Gute, ſondern aus Liebe zum Rau¬
ben
— ſie ſchicken wie der Edelmann den andern
Morgen das Gut dem Eigner redlich wieder zu.
Ihre Feinheiten, — die ſeinigen — ſeine Wendun¬
gen, um ihren auszuweichen — die Aufmerkſamkeit,
die man an ſich wenden muß — die Gelegenheit,
alle Empfindungen unter die feinſten Trennmeſſer zu
bringen, oder unter Sonnen- und Mondmikroſkope —
die Leichtigkeit, den aufrichtigſten Wahrheiten den
ſauern Geſchmack und den angenehmſten den ſuͤßlich¬
ten zu benehmen — — dieſes machte ihm die Nacht¬
tiſche der Weiber, beſonders der koketten zu Lekti¬
ſternien und Goͤttertiſchen: »beim Himmel, ſagte
»der Toiletten-Paniſt und Nacht-Tiſchgaͤnger —
»ein Mann iſt bloß ein Hollaͤnder, hoͤchſtens ein
»Deutſcher, aber eine Frau iſt eine geborne Franzoͤ¬
»ſin oder gar eine Pariſerin — der Mann verbirgt
»ſeine moraliſche wie ſeine phyſiſche Bruſt — Ge¬
»danken und Blumen, die nicht durch die Raufen
»der vier Fakultaͤten durchfallen, Empfindungen, die
»in keinem visum repertum beſchrieben werden koͤn:
»nen, muß man warlich nur einer Frau und keinem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0211" n="201"/>
          <p>Er fand diejenigen Weiber ta&#x0364;glich amu&#x0364;&#x017F;anter, die<lb/>
uns Leuten von Ver&#x017F;tand das Herz aus der Bru&#x017F;t<lb/>
und das Gehirn aus dem Kopf entwenden und zwar<lb/>
(wie jener Edelmann anderes Zeug) nicht aus Liebe<lb/>
zum ge&#x017F;tohlnen Gute, &#x017F;ondern aus Liebe zum <hi rendition="#g">Rau¬<lb/>
ben</hi> &#x2014; &#x017F;ie &#x017F;chicken wie der Edelmann den andern<lb/>
Morgen das Gut dem Eigner redlich wieder zu.<lb/>
Ihre Feinheiten, &#x2014; die &#x017F;einigen &#x2014; &#x017F;eine Wendun¬<lb/>
gen, um ihren auszuweichen &#x2014; die Aufmerk&#x017F;amkeit,<lb/>
die man an &#x017F;ich wenden muß &#x2014; die Gelegenheit,<lb/>
alle Empfindungen unter die fein&#x017F;ten Trennme&#x017F;&#x017F;er zu<lb/>
bringen, oder unter Sonnen- und Mondmikro&#x017F;kope &#x2014;<lb/>
die Leichtigkeit, den aufrichtig&#x017F;ten Wahrheiten den<lb/>
&#x017F;auern Ge&#x017F;chmack und den angenehm&#x017F;ten den &#x017F;u&#x0364;ßlich¬<lb/>
ten zu benehmen &#x2014; &#x2014; die&#x017F;es machte ihm die Nacht¬<lb/>
ti&#x017F;che der Weiber, be&#x017F;onders der koketten zu Lekti¬<lb/>
&#x017F;ternien und Go&#x0364;tterti&#x017F;chen: »beim Himmel, &#x017F;agte<lb/>
»der Toiletten-Pani&#x017F;t und Nacht-Ti&#x017F;chga&#x0364;nger &#x2014;<lb/>
»ein Mann i&#x017F;t bloß ein Holla&#x0364;nder, ho&#x0364;ch&#x017F;tens ein<lb/>
»Deut&#x017F;cher, aber eine Frau i&#x017F;t eine geborne Franzo&#x0364;¬<lb/>
»&#x017F;in oder gar eine Pari&#x017F;erin &#x2014; der Mann verbirgt<lb/>
»&#x017F;eine morali&#x017F;che wie &#x017F;eine phy&#x017F;i&#x017F;che Bru&#x017F;t &#x2014; Ge¬<lb/>
»danken und Blumen, die nicht durch die Raufen<lb/>
»der vier Fakulta&#x0364;ten durchfallen, Empfindungen, die<lb/>
»in keinem <hi rendition="#aq">visum repertum</hi> be&#x017F;chrieben werden ko&#x0364;n:<lb/>
»nen, muß man warlich nur einer Frau und keinem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0211] Er fand diejenigen Weiber taͤglich amuͤſanter, die uns Leuten von Verſtand das Herz aus der Bruſt und das Gehirn aus dem Kopf entwenden und zwar (wie jener Edelmann anderes Zeug) nicht aus Liebe zum geſtohlnen Gute, ſondern aus Liebe zum Rau¬ ben — ſie ſchicken wie der Edelmann den andern Morgen das Gut dem Eigner redlich wieder zu. Ihre Feinheiten, — die ſeinigen — ſeine Wendun¬ gen, um ihren auszuweichen — die Aufmerkſamkeit, die man an ſich wenden muß — die Gelegenheit, alle Empfindungen unter die feinſten Trennmeſſer zu bringen, oder unter Sonnen- und Mondmikroſkope — die Leichtigkeit, den aufrichtigſten Wahrheiten den ſauern Geſchmack und den angenehmſten den ſuͤßlich¬ ten zu benehmen — — dieſes machte ihm die Nacht¬ tiſche der Weiber, beſonders der koketten zu Lekti¬ ſternien und Goͤttertiſchen: »beim Himmel, ſagte »der Toiletten-Paniſt und Nacht-Tiſchgaͤnger — »ein Mann iſt bloß ein Hollaͤnder, hoͤchſtens ein »Deutſcher, aber eine Frau iſt eine geborne Franzoͤ¬ »ſin oder gar eine Pariſerin — der Mann verbirgt »ſeine moraliſche wie ſeine phyſiſche Bruſt — Ge¬ »danken und Blumen, die nicht durch die Raufen »der vier Fakultaͤten durchfallen, Empfindungen, die »in keinem visum repertum beſchrieben werden koͤn: »nen, muß man warlich nur einer Frau und keinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/211
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/211>, abgerufen am 24.11.2024.