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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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Väter -- was soll man mit seinem Enthusiasmus
für euer Geschlecht machen, wenn man durch deut¬
sche Städte reiset, wo jeder Reichste oder Vornehm¬
ste, und wenn er ein weitläuftiger Anverwandter
vom Teufel selber wäre, auf dreißig Häuser mit
dem Finger zeigen und sagen kann: ich weiß nicht
soll ich aus dem perlfarbenen oder nußfarbenen, oder
stahlgrünen Hause eine heirathen: offen sind die
Kaufläden alle?" -- Wie, ihr Mädgen, ist denn
euer Herz so wenig werth, daß ihrs wie alte Klei¬
der, nach jeder Mode, nach jeder Brust zuschneidet
und wirds denn wie eine sinesische Kugel, bald groß
bald wintzig um in eines männlichen Herzens Kugel¬
form, und Ehering-Futteral einzupassen? -- "Es
"muß wohl, wenn man nicht sitzen bleiben will, wie
die heilige NN." antworten mir die, denen ich nicht
antworte, weil ich mich mit Verachtung wegwende
von ihnen, um der sogenannten heiligen NN. zu sa¬
gen: "Verlassene, aber Geduldige! Verkannte und
"Verblühte! Erinnere dich der Zeiten nicht, wo du
"noch auf bessere hoftest als die jetzigen und bereue
"den edeln Stolz deines Herzens nie! Es ist nicht
"allemal Pflicht, zu heirathen, aber es ist allemal
"Pflicht, sich nichts zu vergeben, auf Kosten der
"Ehre nie glücklich zu werden und Ehelosigkeit nicht
"durch Ehrlosigkeit zu vermeiden. Unbewunderte,
"einsame Heldin! in deiner letzten Stunde, wo das

Vaͤter — was ſoll man mit ſeinem Enthuſiasmus
fuͤr euer Geſchlecht machen, wenn man durch deut¬
ſche Staͤdte reiſet, wo jeder Reichſte oder Vornehm¬
ſte, und wenn er ein weitlaͤuftiger Anverwandter
vom Teufel ſelber waͤre, auf dreißig Haͤuſer mit
dem Finger zeigen und ſagen kann: ich weiß nicht
ſoll ich aus dem perlfarbenen oder nußfarbenen, oder
ſtahlgruͤnen Hauſe eine heirathen: offen ſind die
Kauflaͤden alle?« — Wie, ihr Maͤdgen, iſt denn
euer Herz ſo wenig werth, daß ihrs wie alte Klei¬
der, nach jeder Mode, nach jeder Bruſt zuſchneidet
und wirds denn wie eine ſineſiſche Kugel, bald groß
bald wintzig um in eines maͤnnlichen Herzens Kugel¬
form, und Ehering-Futteral einzupaſſen? — »Es
»muß wohl, wenn man nicht ſitzen bleiben will, wie
die heilige NN.« antworten mir die, denen ich nicht
antworte, weil ich mich mit Verachtung wegwende
von ihnen, um der ſogenannten heiligen NN. zu ſa¬
gen: »Verlaſſene, aber Geduldige! Verkannte und
»Verbluͤhte! Erinnere dich der Zeiten nicht, wo du
»noch auf beſſere hofteſt als die jetzigen und bereue
»den edeln Stolz deines Herzens nie! Es iſt nicht
»allemal Pflicht, zu heirathen, aber es iſt allemal
»Pflicht, ſich nichts zu vergeben, auf Koſten der
»Ehre nie gluͤcklich zu werden und Eheloſigkeit nicht
»durch Ehrloſigkeit zu vermeiden. Unbewunderte,
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[140/0150] Vaͤter — was ſoll man mit ſeinem Enthuſiasmus fuͤr euer Geſchlecht machen, wenn man durch deut¬ ſche Staͤdte reiſet, wo jeder Reichſte oder Vornehm¬ ſte, und wenn er ein weitlaͤuftiger Anverwandter vom Teufel ſelber waͤre, auf dreißig Haͤuſer mit dem Finger zeigen und ſagen kann: ich weiß nicht ſoll ich aus dem perlfarbenen oder nußfarbenen, oder ſtahlgruͤnen Hauſe eine heirathen: offen ſind die Kauflaͤden alle?« — Wie, ihr Maͤdgen, iſt denn euer Herz ſo wenig werth, daß ihrs wie alte Klei¬ der, nach jeder Mode, nach jeder Bruſt zuſchneidet und wirds denn wie eine ſineſiſche Kugel, bald groß bald wintzig um in eines maͤnnlichen Herzens Kugel¬ form, und Ehering-Futteral einzupaſſen? — »Es »muß wohl, wenn man nicht ſitzen bleiben will, wie die heilige NN.« antworten mir die, denen ich nicht antworte, weil ich mich mit Verachtung wegwende von ihnen, um der ſogenannten heiligen NN. zu ſa¬ gen: »Verlaſſene, aber Geduldige! Verkannte und »Verbluͤhte! Erinnere dich der Zeiten nicht, wo du »noch auf beſſere hofteſt als die jetzigen und bereue »den edeln Stolz deines Herzens nie! Es iſt nicht »allemal Pflicht, zu heirathen, aber es iſt allemal »Pflicht, ſich nichts zu vergeben, auf Koſten der »Ehre nie gluͤcklich zu werden und Eheloſigkeit nicht »durch Ehrloſigkeit zu vermeiden. Unbewunderte, »einſame Heldin! in deiner letzten Stunde, wo das

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/150>, abgerufen am 23.11.2024.