Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.dichter Schleier über dem Gesichte war ihr Tags¬ Inzwischen ist -- wenn (nach dem Plinius) ein dichter Schleier uͤber dem Geſichte war ihr Tags¬ Inzwiſchen iſt — wenn (nach dem Plinius) ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0142" n="132"/> dichter Schleier uͤber dem Geſichte war ihr Tags¬<lb/> lichtſchirm. Als ſie, wie eine Sonne, ihren Schleier<lb/> aufſchlug: ſo begrif er nicht wie er in Toſtatos<lb/> Bude aus dieſem italieniſchen Feuer und aus dieſen<lb/> ſchnellen Hofaugen ein verweintes Blondinengeſicht<lb/> machen koͤnnen. Ein Theil dieſes Feuers gehoͤrte<lb/> der Krankheit an. Ihr erſtes Wort war ein ent¬<lb/> ſchloſſener Ungehorſam auf ſein erſtes; indeſſen ſtieß<lb/> ſie damit die Herren <hi rendition="#g">Pringle</hi> und <hi rendition="#g">Schmucker</hi><lb/> ſo gut vor den Kopf wie ihn: denn das ganze drei¬<lb/> einige <hi rendition="#aq">collegium medicum</hi> rieth ihr — Blutigel um<lb/> die Augen. Dieſe ekelten ſie. Der Medikus ruͤckte<lb/> mit Schroͤpfkoͤpfen am Hinterhaupte heraus; aber<lb/> ihre Haare waren ihr lieber als ihre Augen. »Muß<lb/> »man denn alles mit Blut erkaufen?« ſagte ſie mit<lb/> italieniſcher Lebhaftigkeit. — »Die Reiche und Re¬<lb/> »ligionen ſolltens nicht werden, aber doch die Ge¬<lb/> ſundheit« ſagt' er mit engliſcher Freimuͤthigkeit. Er<lb/> forderte noch einmal ihr Blut — aber ſie gab es<lb/> ihm erſt, da er das Opfermeſſer aͤnderte und ihr am<lb/> Auge eine Aderlaß vorſchlug. Perſonen von Stande<lb/> wiſſen wie Gelehrte oft die gemeinſten Dinge nicht:<lb/> ſie dachte, der Doktor werde die Ader oͤfnen. Und<lb/> weil ſie es dachte: that ers auch, mit ſeiner durchs<lb/> Staarſtechen geuͤbten Hand. . . .</p><lb/> <p>Inzwiſchen iſt — wenn (nach dem Plinius) ein<lb/> Kuß aufs Auge einer auf die Seele iſt — eine Ader¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [132/0142]
dichter Schleier uͤber dem Geſichte war ihr Tags¬
lichtſchirm. Als ſie, wie eine Sonne, ihren Schleier
aufſchlug: ſo begrif er nicht wie er in Toſtatos
Bude aus dieſem italieniſchen Feuer und aus dieſen
ſchnellen Hofaugen ein verweintes Blondinengeſicht
machen koͤnnen. Ein Theil dieſes Feuers gehoͤrte
der Krankheit an. Ihr erſtes Wort war ein ent¬
ſchloſſener Ungehorſam auf ſein erſtes; indeſſen ſtieß
ſie damit die Herren Pringle und Schmucker
ſo gut vor den Kopf wie ihn: denn das ganze drei¬
einige collegium medicum rieth ihr — Blutigel um
die Augen. Dieſe ekelten ſie. Der Medikus ruͤckte
mit Schroͤpfkoͤpfen am Hinterhaupte heraus; aber
ihre Haare waren ihr lieber als ihre Augen. »Muß
»man denn alles mit Blut erkaufen?« ſagte ſie mit
italieniſcher Lebhaftigkeit. — »Die Reiche und Re¬
»ligionen ſolltens nicht werden, aber doch die Ge¬
ſundheit« ſagt' er mit engliſcher Freimuͤthigkeit. Er
forderte noch einmal ihr Blut — aber ſie gab es
ihm erſt, da er das Opfermeſſer aͤnderte und ihr am
Auge eine Aderlaß vorſchlug. Perſonen von Stande
wiſſen wie Gelehrte oft die gemeinſten Dinge nicht:
ſie dachte, der Doktor werde die Ader oͤfnen. Und
weil ſie es dachte: that ers auch, mit ſeiner durchs
Staarſtechen geuͤbten Hand. . . .
Inzwiſchen iſt — wenn (nach dem Plinius) ein
Kuß aufs Auge einer auf die Seele iſt — eine Ader¬
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