ein niedergekrempter Kopf empor, der in einem hor¬ chenden Visiren aus einer Lauben Nische eine weibli¬ che Silhouette ausschnitt, deren Original im Ne¬ benlaubengang mit Agathen sprach. Auf Viktors Geräusche kehrte die Person, der man das Profil durch die Nische entwendete, sich verwundert herum und erblickte den Inhaber des Zyklopen-Zopfes mit der Silhouettenscheere und den Helden der Hundsposttage. Der Inhaber drückte ohne weiter ein Wort zu sagen seine artistische Hand durch das Gesträuch und langte ihr ihren Schattenriß oder Schattenschnitt hinaus. Agathe nahm ihn lächelnd; aber die Unge¬ nannte schien einen Ernst, der sich auf weiblichen Gesichtern in nichts von der Verachtung unterschei¬ det als in der Zweideutigkeit, gegen den Form und Gesichterschneider anzunehmen, weil er den Verdacht des Horchens durch seine Scheere zu sehr erweckte. Viktor konnte von der Ungenannten noch nichts als die Länge wahrnehmen, die obgleich ein wenig vor¬ gebogen gehalten doch über das Gewöhnliche ging. Der Gesichterschneider drehte sich mit zwei blinzen¬ den schwarzen Augen gegen Viktor herum, empfing ihn recht artig, wuste dessen Namen, sagte seinen eignen -- -- Matthieu -- und hatte beim achten Schritt schon vier gute Einfälle gehabt. Der fünfte war, daß er meinen Helden ungebeten dem Paar in der Kollaterallaube vorstellte.
ein niedergekrempter Kopf empor, der in einem hor¬ chenden Viſiren aus einer Lauben Niſche eine weibli¬ che Silhouette ausſchnitt, deren Original im Ne¬ benlaubengang mit Agathen ſprach. Auf Viktors Geraͤuſche kehrte die Perſon, der man das Profil durch die Niſche entwendete, ſich verwundert herum und erblickte den Inhaber des Zyklopen-Zopfes mit der Silhouettenſcheere und den Helden der Hundspoſttage. Der Inhaber druͤckte ohne weiter ein Wort zu ſagen ſeine artiſtiſche Hand durch das Geſtraͤuch und langte ihr ihren Schattenriß oder Schattenſchnitt hinaus. Agathe nahm ihn laͤchelnd; aber die Unge¬ nannte ſchien einen Ernſt, der ſich auf weiblichen Geſichtern in nichts von der Verachtung unterſchei¬ det als in der Zweideutigkeit, gegen den Form und Geſichterſchneider anzunehmen, weil er den Verdacht des Horchens durch ſeine Scheere zu ſehr erweckte. Viktor konnte von der Ungenannten noch nichts als die Laͤnge wahrnehmen, die obgleich ein wenig vor¬ gebogen gehalten doch uͤber das Gewoͤhnliche ging. Der Geſichterſchneider drehte ſich mit zwei blinzen¬ den ſchwarzen Augen gegen Viktor herum, empfing ihn recht artig, wuſte deſſen Namen, ſagte ſeinen eignen — — Matthieu — und hatte beim achten Schritt ſchon vier gute Einfaͤlle gehabt. Der fuͤnfte war, daß er meinen Helden ungebeten dem Paar in der Kollaterallaube vorſtellte.
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ein niedergekrempter Kopf empor, der in einem hor¬
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benlaubengang mit Agathen ſprach. Auf Viktors
Geraͤuſche kehrte die Perſon, der man das Profil
durch die Niſche entwendete, ſich verwundert herum
und erblickte den Inhaber des Zyklopen-Zopfes
mit der Silhouettenſcheere und den Helden der
Hundspoſttage. Der Inhaber druͤckte ohne weiter ein
Wort zu ſagen ſeine artiſtiſche Hand durch das Geſtraͤuch
und langte ihr ihren Schattenriß oder Schattenſchnitt
hinaus. Agathe nahm ihn laͤchelnd; aber die Unge¬
nannte ſchien einen Ernſt, der ſich auf weiblichen
Geſichtern in nichts von der Verachtung unterſchei¬
det als in der Zweideutigkeit, gegen den Form und
Geſichterſchneider anzunehmen, weil er den Verdacht
des Horchens durch ſeine Scheere zu ſehr erweckte.
Viktor konnte von der Ungenannten noch nichts als
die Laͤnge wahrnehmen, die obgleich ein wenig vor¬
gebogen gehalten doch uͤber das Gewoͤhnliche ging.
Der Geſichterſchneider drehte ſich mit zwei blinzen¬
den ſchwarzen Augen gegen Viktor herum, empfing
ihn recht artig, wuſte deſſen Namen, ſagte ſeinen
eignen — — Matthieu — und hatte beim achten
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war, daß er meinen Helden ungebeten dem Paar in
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/95>, abgerufen am 21.12.2024.
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